Forschung & Lehre 9/2019
und Experten. Die Studierenden im Praktischen Jahr unterweisen die Fa- mulantinnen und Famulanten in basa- len medizinischen Techniken und Stati- onsabläufen. Diese Kaskade ist nicht zwangsläufig einzuhalten, doch beob- achte ich im Alltag, dass sich Lernende häufig an den Lehrenden der Wissens- stufe über ihnen orientieren und diese auch ein hohes Maß an Motivation für die Lehre aufweisen. Schließlich kön- nen gut eingewiesene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Lehrenden in kür- zester Zeit selbst wieder Arbeit abneh- men. Dieser Wissensfluss von oben nach unten lässt sich einfach in ein Curricu- lum übertragen. Neben den klassischen Lehrkonzepten wie Vorlesungen und Semina- ren bieten sich hier viele mo- dernere, gut evaluierte Lehr- formate an. In der Medizin sind etwa „Skills Labs“ (Einrichtungen, in denen praktische medizinische Tätig- keiten meist an Dummies und Modellen oder Simulationspatienten fehlertolerant geübt und erlernt werden können) mittlerweile eine weit verbreitete Lehr- einrichtung. Hier lehren meist keine Expertinnen und Experten, sondern gut geschulte Peer Teacher, also ältere Stu- dierende. Dass diese Art der Lehre funktioniert, ist bereits bestens evaluiert. Seitens der Oberärzte sowie anderer medizinischer Expertinnen bestünde si- cherlich wenig Bereitschaft, geduldig einer Studienanfängerin oder einem Studienanfänger über die Schulter zu schauen, wenn er oder sie die ersten zehn Male ungeschickt die Venen an einem Plastikarm zersticht. Peer Teacher können sich jedoch gut in die Situation des Lernenden einfühlen und praktische Hilfestellung geben. Junge Lehrende sind geduldi- ger als erfahrene Ärzte In unserer Klinik schauen wir nun auf 15 Jahre Erfahrung mit PBL (Problem Based Learning) nach Maastrichter Modell zurück. Jährlich betreut jeweils ein Tutor oder eine Tutorin 26 Klein- gruppen in 11 PBL-Fällen. PBL ist eine Methode, die die Lernenden im Wis- senserwerb aktiv in den Mittelpunkt setzt, und diese durch geschulte Tutoren methodisch, aber nicht oder kaum in- haltlich, angeleitet werden. Aus den Evaluationen geht hervor, dass junge Assistenzärztinnen und -ärzte den Pro- blemen der Studierenden im Wissens- erwerb am nächsten sind, und sowohl geduldig als auch motiviert die Gruppe anleiten, sich das Wissen anzueignen. Erfahrene Fachärzte und Oberärz- tinnen tendieren in einem derartigen Lernsetting dazu, die Kontrolle an sich zu reißen, da der Wissenserwerb für sie gefühlt zu zäh ist, zu oberflächlich und nicht das Niveau erreicht, mit dem sie sich selbst beschäftigen. Diese Dozie- renden neigen dann dazu, das Tutorium zu monologbasierten Seminaren umzu- wandeln, was die Methodik von PBL völlig ad absurdum führt. Je spezialisierter das zu vermittelnde Wissen ist, desto sinnvoller ist es, den umso höher qualifizierten Experten in diesem Lehrformat einzusetzen. So kann die Motivation auf beiden Seiten langfristig aufrechterhalten werden. In unserer Klinik bedeutet dies, dass jede ärztliche Mitarbeiterin und je- der ärztliche Mitarbeiter an der Lehre beteiligt ist und in der Lehr-Lern-Kas- kade seiner Kompetenz entsprechend eingesetzt wird. Konkret unter- richten bei uns ein Klinikdirek- tor, elf Oberärzte, zwölf Fach- ärzte und -ärztinnen und 33 Assistenzärztinnen- und -ärzte sowie 18 studentische Peer Te- acher in 889 Einzelveranstaltungen ge- meinsam etwa 80 000 Minuten neuro- logische Lehre im Wintersemester. Leh- re wird als Teamleistung und integraler Bestandteil der Arbeit an einem Uni- versitätsklinikum wahrgenommen. Natürlich bringt ein derartig fein- gliedriges Curriculum einen großen or- ganisatorischen Aufwand mit sich, der von der Lehrkoordination weit mehr fordert, als Flipchartbögen und Filzstifte zu bestellen. Jedoch sprechen die Lehr- evaluationen und reichlicher, motivier- ter Mitarbeiternachwuchs ganz klar für das Konzept. 9|19 Forschung & Lehre L E H R E 807 »Peer Teacher können sich gut in die Situation des Lernenden einfühlen.« Foto: mauritius images
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