Forschung & Lehre 9/2019
812 L E H R E Forschung & Lehre 9|19 Wettbewerb?! Die geplante Organisation für Innovationen in der Hochschullehre E s ist beschlossen: Mit Auslaufen des Qualitätspakts Lehre wird dauerhaft eine rechtlich nicht selbstständige Organisationseinheit ein- gerichtet, die Projekte zur Weiterent- wicklung der Lehre fördern, Austausch und Vernetzung zwischen Hochschulen stärken und Wissenstransfer unterstüt- zen will. Als 2017 öffentlichkeitswirk- sam von einer möglichen Deutschen Lehrgemeinschaft analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft die Rede war, gab es heftige Kritik am damit verbun- denen Dauerwettbewerb um Förder- mittel für die Lehre. Dass die neue Ver- waltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern „Innovation in der Hoch- schullehre“ heißt und das wettbewerb- liche Verfahren skizziert, ohne das Reizwort Wettbewerb zu nennen, dürfte daher wohl kein Zufall sein. Die Förderziele klingen eingängig und sind so formuliert, dass niemand sich ernsthaft dagegen aussprechen kann: Neue Ideen sollen in der Hoch- schullehre umgesetzt, innovative Ansät- ze und Strukturen erprobt, Bewährtes auf neue Kontexte übertragen sowie Personalentwicklung, Evaluation und Wirkungsforschung unterstützt werden. Wer wollte das nicht? Die Förderung selbst soll Hochschullehrenden und Hochschulleitungen ein „Anreiz“ sein, sich für mehr Qualität in der Lehre ein- zusetzen. 150 Millionen jährlich werden ab 2021 zur Verfügung gestellt, um zu- kunftsweisende Projekte zu ermöglichen – ausgewählt „in einem wissenschafts- geleiteten Verfahren“. Nur zum Ver- gleich: Dem stehen 3,4 Milliarden Euro gegenüber, welche die Deutsche For- schungsgemeinschaft zur Förderung der Forschung allein im letzten Jahr inves- tiert hat. Wird der neue Innovationspakt die Lehre tatsächlich stärken und besser machen? Man kann sicher davon aus- gehen, dass die geplanten Förderinstru- mente innovative Projekte hervorbrin- gen werden, denn es mangelt weder an Hochschullehrenden noch an Hoch- schulleitungen, die trotz aller Widrig- keiten und selbst ohne beständige An- reize ein hohes Maß an Kreativität und Engagement an den Tag legen, um die Lehre immer wieder zu erneuern und weiterzuentwickeln. Es mangelt aber an dauerhafter und verlässlicher Unter- stützung dieser Akteure: etwa an einer Reduktion des Lehrdeputats im Gegen- zug für mehr Zeit für das Neue oder an unbefristeten Stellen für den adminis- trativen, rechtlichen oder technischen Support von Lehrexperimenten und Transferbemühungen und ganz generell an Redundanz von Strukturen und Funktionen in zunehmend ausgereizten Hochschulen. Ebenso sicher dürfte ein großes Gerangel um die neuen Förder- mittel für die Lehre entstehen, denn zu verteilen gibt es im Vergleich zur For- schung eher wenig, sodass viele gute Ideen werden hintanstehen müssen. Antrags- und Auswahlaufwand auf der einen Seite und der erhoffte Nutzen für die Hochschullehre auf der anderen Seite könnten da rasch auseinander- driften. Dass sich auf diese Weise die Bedeutung der Lehre gegenüber der Forschung in der Wahrnehmung etab- lierter Hochschullehrender oder Nach- wuchswissenschaftlerinnen stärken lässt, erscheint nicht unbedingt sehr wahrscheinlich. Nun ist der dauerhafte Wettbewerb um Mittel für die Weiterentwicklung der Lehre beschlossen und so stellt sich die Frage, was man tun kann, um die hoch gesteckten Ziele mit dem neuen Förderinstrumentarium nicht gänzlich zu verfehlen und Nebenwirkungen klein zu halten. Noch sind die Pläne stellenweise deutungsoffen, etwa was die Auswahlkriterien, das Volumen und die Dauer von einzelnen Projektförde- rungen betrifft. Worauf also wäre zu achten? Soll die Lehre ernsthaft ge- stärkt werden, sollte man sie nicht ge- gen die Forschung ausspielen, sondern die Verbindung von Forschung und Lehre anregen und dabei den Hoch- schultyp im Blick haben, denn: Univer- sitäten, Fachhochschulen, duale und fachgebundene Hochschulen haben zu Recht verschiedene Vorstellungen da- von, wie nah die Lehre der Forschung kommen kann und soll. Soll Lehre dauerhaft erneuert werden, gilt es, nicht nur auf institutionelle, sondern auch auf individuelle Verantwortung zu setzen und den notwendigen Freiraum der (forschenden) Lehrenden zu wah- ren, denn: Bei aller Bedeutung institu- tioneller Rahmenbedingungen lebt die Lehre von denen, die sie am Ende praktizieren. Soll Lehre schließlich auch auf wissenschaftlicher Basis wei- terentwickelt werden, wird es mit blo- ßen Evaluationen nicht getan sein, denn: Das komplexe Feld akademischer Bildung erfordert auch eine methodolo- gisch plural ausgerichtet und theoretisch verankerte Hochschulbildungsforschung. A U T O R I N Gabi Reinmann ist Professorin für Leh- ren und Lernen an Hochschulen an der Universität Ham- burg.
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