Forschung & Lehre 9/2019
Selbstorganisation erleichtern Eine hohe Komplexität der Lerninhalte, geringe Lernmotivation, Passivität der Studierenden, heterogenes Vorwissen, begrenzte Möglichkeiten zu individuali- siertem Lernen und geringe Selbstregu- lationsfähigkeit der Studierenden sind einige Faktoren, die häufig zu Verzöge- rungen im Studium oder sogar zu Stu- dienabbrüchen führen, wie etwa die „digital learning map“ auf e-teaching.org aufzeigt. Adaptive, personalisierte und intelligente Lernformate haben großes Potenzial, dort anzusetzen und Studie- rende in ihrem Selbststudium und bei ihrer Selbstregulation als metakognitive Kompetenz individuell zu fördern. Pas- sende Empfehlungen für die Optimie- rung der individuell favorisierten Lern- strategien könnten zum Beispiel die Zeitstrukturen der Studierenden inner- halb eines Semesters berücksichtigen, die Rahmenbedingungen, das Vorwis- sens oder die Lernerfahrungen. Dabei steht es Studierenden frei, Hilfestellun- gen für eine erfolgreiche Selbstorgani- sation im weiteren Studienverlauf je- derzeit nach ihrem Empfinden zu än- dern oder zu ignorieren. Schließlich darf es bei der zunehmenden Datafizie- rung des Studiums nicht um eine indi- rekt eingeführte, neue Art der Fremd- bestimmung gehen. Vielmehr sind die Algorithmen für diese Lernformate so zu programmieren, dass sie im Sinne von „Empowerment“ die Autonomie der Studierenden stärkenorientiert un- terstützen und diese letztlich selbstbe- stimmt in der Lage sind, ihre Studierfä- higkeit mit den Anforderungen an ein wissenschaftliches Studium in Einklang zu bringen und vor allem ihre Ziele zu erreichen. Zur Erreichung dieser Ba- lance ist weitere Forschung notwendig. Relevant für den Erfolg von digitalen Formaten ist die Sichtbarkeit eines Mehrwerts, damit Studierende sie an- nehmen und von ihnen profitieren können. Formate wie MOOCs, aber be- sonders adaptive personalisierte Lern- umgebungen und intelligente Assistenz- systeme bieten nicht nur Lernmateria- lien in verschiedenen Medienformaten, sondern machen interessengeleitete Vor- schläge zur Vertiefung des Wissens und zur Erweiterung von Fach- und Metho- denkompetenzen. Ein weiterer Faktor zur Zweckerfül- lung ist eine kontinuierliche Qualitäts- sicherung der Formate durch die Ein- bindung studentischer Rückmeldungen. Dabei sind Studierende digitalen Inno- vationen in der Lehre gegenüber sehr aufgeschlossen und beteiligen sich häu- fig an deren Weiterentwicklung. Letzt- lich ist die Zweckerfüllung aber auch immer abhängig vom Verständnis der Hochschulen von ihrem Bildungsauftrag und von ihrer Wahrnehmung gesell- schaftlicher Entwicklungen. Anreizsysteme schaffen An den Hochschulen gibt es mittlerwei- le eine Reihe von professionellen Un- terstützungs- und Weiterbildungsange- boten für Lehrende. Über Ausschrei- bungen und Preise für innovative Lehre haben sich digitalisierte Lehrkonzepte in vielen Hochschulen in den letzten Jahren wesentlich verbreitet. Und Leh- rende sind sich der Relevanz der Digi- talisierung in der Hochschulbildung sehr bewusst. Dennoch muss die Sichtbarkeit der digitalen Lehr- und Lernformate an Hochschulen oder über eine deutsch- landweite Bildungsplattform, wie sie der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft plant, noch erhöht wer- den. Ein gutes Beispiel für die Sichtbar- keit aktueller digitaler Lehr- und Lern- formate ist die Digital Learning Map von e-teaching.org. Zugleich erfordert die zunehmende Algorithmisierung Me- dienkompetenz und Data Literacy so- wohl für Studierende als auch für Leh- rende. Digitalisierung verändert zum einen den Charakter von Lehre, indem die bisherigen Organisationsmuster von Lehre und Studium sowie die curricu- laren Vorgaben flexibilisiert werden und eine Entgrenzung der Lernorte und des Zugangs zum Wissen stattfin- det. Zum anderen ändert sich durch die stärkere Aktivierung der Studierenden und den Einsatz intelligenter Assistenz- systeme die Sicht auf das Expertentum. Der Charakter der zukünftigen techno- logiebasierten Lehre zeichnet sich m.E. durch personalisierte Förderung aus, die Studierenden ermöglicht, ihr eigenes Kompetenzprofil zu erkennen und da- rauf aufbauend ihr Studium bestmöglich zu gestalten. Auch das ist Hochschul- bildung. 9|19 Forschung & Lehre L E H R E 815 Inverted Classroom – ein Lernformat, bei dem Studierende die Lerninhalte vor- ab erarbeiten und in Lehrveranstaltun- gen an der Universität anwenden. Foto: mauritius images
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