Forschung & Lehre 9/2019
818 D E U T S C H E F O R S C H U N G S G E M E I N S C H A F T Forschung & Lehre 9|19 Gute wissenschaftliche Praxis Der neue Kodex der DFG A nfang Juli hat die Mitglieder- versammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 19 „Leitlinien zur Sicherung gu- ter wissenschaftlicher Praxis“ verab- schiedet. Sie gelten seit 1. August 2019 und sind von den DFG-Mitgliedern bis spätestens 31. Juli 2021 umzusetzen. Der offizielle Untertitel der Leitlinien lautet „Kodex“. Damit lehnt sich die DFG an eine international übliche Redeweise an (sie- he etwa den 2017 vorge- legten europäischen oder den 2018 veröffentlichten niederländischen „Code of Conduct for Research In- tegrity“). Der Kodex löst die bisherigen 17 „Empfehlungen“ der 1998 erstmals publizierten (und 2013 aktualisierten) DFG-Denkschrift „Si- cherung guter wissenschaftlicher Praxis“ ab. Sie wird auch künftig als ergänzende Verständnishilfe wichtig sein. Nur als Merkposten sei daran erinnert, dass ge- meinsam mit dem Kodex die neue DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten verabschiedet wurde. Sie betrifft die Prüfung von Vorfällen, zu denen es im Vollzug von DFG-Projekten kommt, durch die DFG selbst. Der Kodex rich- tet sich hingegen an die DFG-Mitglieder (insbesondere Universitäten und außer- universitäre Forschungseinrichtungen) und die dort tätigen Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftler. Im Zentrum der gut einjährigen Re- formarbeit stand die Überarbeitung der Denkschrift, nicht ihre Totalrevision. Der Kodex nimmt neue Entwicklungen auf, die nicht zuletzt unter dem Ein- druck des digitalen Wandels die Wis- senschaft vor neue Herausforderungen stellen. Auch die in den letzten Jahren verstärkt thematisierte Frage nach dem wissenschaftsadäquaten Umgang mit Macht gehört zu den Zukunftsfragen, auf die der Kodex reagiert. Der Kodex ist kein juristisches Re- gelwerk, sondern eine Sammlung wis- senschaftsethischer Prinzipien bzw. Standards (Leitlinie 1) der guten wis- senschaftlichen Praxis (GWP); das geht über die auf konkrete Forschungsvor- haben bezogene Forschungsethik (Leit- linie 10) hinaus. Die GWP-Prinzipien sind „eine Ausprägung wissenschaftli- cher Selbstverpflichtung“ (Präambel, siehe auch Leitlinie 2). Der Kodex zielt auf die Umsetzung der Leitlinien in rechtsverbindlichen Regelwerken, was an den Universitäten durch Satzungen geschieht. „Einrichtungen, die die Leit- linien nicht umsetzen, erhalten keine Fördermittel“ (so der Kodex in Ab- schnitt 5 unter der Überschrift „Umset- zung der Leitlinien“). Wesentlich für das Verständnis des Kodex sind drei Strukturebenen. Auf der ersten Ebene wird der Inhalt der Leitlinien auf abstrakt-generelle Weise umschrieben; die Leitlinien sind damit von vornherein offen für eine fachspe- zifische Interpretation. Dies wird auf der zweiten Ebene durch „Erläuterungen“ mittlerer Reichweite konkretisiert. Die drit- te Ebene ist als dyna- misch fortentwickelte Online-Ergänzung ge- plant, die idealerweise ab Herbst 2019 erstellt werden soll. Sie soll die Leitlinien insbesondere anhand von Beispielen aus den einzelnen Wis- senschaftsbereichen für den Forschungs- alltag besser handhabbar machen. Verantwortlichkeiten Die Leitlinien 7 bis 17 beziehen sich auf die einzelnen Schritte des Forschungs- prozesses. Am Anfang steht die persön- liche Verantwortung aller Forschenden (Leitlinie 2). Allerdings ist auch der Kontext in den Blick zu nehmen, in dem persönliche Verantwortung effektiv gelebt werden kann. Der Kodex akzen- tuiert deutlicher als die bisher maßgeb- liche Denkschrift die Organisationsver- antwortung. Hierbei muss, wie die Leit- linien 3 und 4 näher ausführen, vor al- lem mehr zum Schutz der Generationen geleistet werden, die neu in das Wis- | S T E P H A N R I X E N | Nicht zuletzt durch den digitalen Wandel steht die Wissenschaft vor veränderten Herausforderungen. Vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen hat die DFG ihre bisherigen „Empfehlun- gen“ der Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ überarbeitet und neue Leitlinien dazu verabschiedet. Damit soll die wissenschaftliche Inte- grität sichergestellt werden.Worum geht es in den Leitlinien? Ein Überblick. »Der Kodex ist kein juristisches Regelwerk, sondern eine Sammlung wissenschaftsethi- scher Prinzipien bzw. Standards der guten wissenschaftlichen Praxis.« A U T O R Stephan Rixen hat den Lehrstuhl für Öffentli- ches Recht I an der Universität Bayreuth inne und ist Sprecher des von der DFG ein- gesetzten Gremiums „Ombudsman für die Wissenschaft“. Er war Mitglied der Kom- mission, die den Kodex erarbeitet hat.
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