Forschung & Lehre 9/2019

830 L E S E R F O R U M Forschung & Lehre 9|19 Heft 7/19: Wahrheits- begriff Unideologisch F&L kann nicht der Ort sein, den Wahr- heits- oder den Wis- senschaftsbegriff oder den Unterschied zwi- schen beidem zu dis- kutieren. Eigentlich sollte das auch nicht nötig sein. Dennoch soll der Kommen- tar von Professor Michael Reichel nicht unwidersprochen bleiben, der die Wissenschaft dazu einlädt, den Unterschied zwischen empirisch-ratio- nalen und primär ideologisch gepräg- ten Diskursen stärker zu betonen. Da- bei versäumt er seinerseits, eine we- sentliche Unterscheidung zu berück- sichtigen, die nämlich zwischen empi- rischem und theoretischem Wissen. Mögen theoretische Fächer wie die Reine Mathematik, die Musiktheorie oder die Logik auch nicht erfahrungs- basiert sein, so sind sie dennoch dessen ungeachtet den Grundsätzen der Rationalität verpflichtet und damit ebenso wie die Theologie und andere Wissenschaften, die diesen Namen verdienen – unabhängig davon, was die Erfahrung über ihre Gegenstände wissen mag – unideologisch. Die Wis- senschaft auf Empirie zu verkürzen ist unwissenschaftlich. Professor Dr. Katharina Philipowski, Univer- sität Potsdam Heft 7/19: Entscheiden- de Probleme Open Access Mit einem einfachen „Weiter so“ des wissen- schaftlichen Publizie- rens, wie es sich Pro- fessor Wolfgang Sander zu wünschen scheint, sind große Teile der wissenschaftlichen Community nicht mehr einverstanden. Sie sprechen sich für Open Access und den langfristigen und möglichst umfassenden Zugang zum gesammelten Wissen aus. Die Langzeitarchivierung sehen sie dabei nicht als originäres Problem von Open Access, sondern des Publizierens über- haupt. Zum einen erscheinen auch wis- senschaftliche Closed-Access-Zeitschrif- ten zum Teil gar nicht mehr als Druck- fassung, da gedruckte Journale mit der heutigen wissenschaftlichen Arbeit nur noch schwer zu vereinen sind (etwa Géotechnique Letters, Academy of Ma- nagement Discoveries, Neue Juristische Online-Zeitschrift). Zum anderen gibt es auch Open Access-Publikationen – Zeitschriften wie Bücher –, die parallel zur digitalen Veröffentlichung gedruckt erscheinen. Sander suggeriert außerdem, eine analoge Langzeitarchivierung wäre immer sicherer. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar oder der Einsturz des Kölner Stadtar- chivs zeigen. Auf die zunehmend kritisierten Ge- schäftsmodelle wissenschaftlicher Ver- lage geht der Autor mit keinem Wort ein. Open Access führt zu einer Um- schichtung bisher bestehender Finan- zierungswege: Während Bibliotheken heute für Abonnements und die Be- schaffung von Literatur große Summen aufwenden, würden diese Mittel in Zu- kunft für die Open-Access-Publikatio- nen der eigenen Wissenschaftler*innen ausgegeben werden. Eine ausführliche Stellungnahme ist zu finden unter: https://osf.io/p6gmb Fellows, Alumni, Mentorinnen und Mentoren im Fellow-Programm „Freies Wissen“ von Wikime- dia Deutschland, dem Stifterverband und der Volkswagenstiftung. Heft 6/19: Zeitgeist Handlungsoptionen Mit etwas Irritation haben wir den Kom- mentar von Professor Johann Hartl zur Kenntnis genommen, in dem eine hohe Wahrscheinlichkeit für den anthropogenen Einfluss auf den Klimawandel bezweifelt wird. Grund- sätzlich ist es sehr begrüßenswert, dass unterschiedliche Meinungen in F&L zu Wort kommen. Allerdings hätten wir uns Quellenangaben zu Sachaussa- gen gewünscht. Konkret: Welche Wahr- scheinlichkeitsaussagen des IPCC Kli- mareports werden angezweifelt und wieso? Inwiefern ändern sich Hand- lungsanweisungen durch derartige Zweifel? Als historische Beispiele für eine emotionalisierte Debatte erwähnt Pro- fessor Hartl die Diskussion um „Sauren Regen“ und das „Ozon-Loch“ in den achtziger Jahren. Es sei die Frage er- laubt, ob ohne diese Debatten nicht die dann getroffenen Gegenmaßnah- men versäumt worden wären. Das Montreal-Protokoll von 1987, in dem ein weltweiter Verzicht von FCKW verhandelt wurde, wird von vielen als Erfolgsgeschichte für weltweit koordi- nierten Umweltschutz angesehen, die Hoffnung für zukünftige Herausforde- rungen gibt. Gleichzeitig hoffen wir sehr, dass Wissenschaftler, und da ist Professor Hartl eingeschlossen, mithelfen kön- nen, eine faktenbasierte Diskussion zu Ursachen und Folgen des Klima- wandels sicherzustellen. Absolutes Wissen über die Zukunft kann es nicht geben. Für Entscheidungen über Handlungsoptionen jedoch genügen Wahrscheinlichkeiten und eine Ab- schätzung von zu erwartendem Nut- zen und Kosten. Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich, Privatdozent Dr. Benjamin M. Friedrich, TU Dresden Richtigstellung In der August-Ausgabe von Forschung & Lehre wurde auf Seite 706 fälschli- cherweise vermerkt, dass die Universität Bremen ihren „Exzellenz“-Titel vertei- digen konnte. Die Universität Bremen ist jedoch keine „Exzellenzuniversität“ mehr. Die Auflistung der Universitäten zu Beginn des Artikels ist korrekt. Zustimmung und Widerspruch

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