Forschung & Lehre 9/2019

836 K A R R I E R E - P R A X I S Forschung & Lehre 9|19 N eid empfinden wir, wenn andere etwas haben oder können, was wir selbst auch gern haben oder können wollen. Damit ist Neid ein ganz alltägliches Gefühl. Seien Sie ehr- lich! Ein bisschen schmerzhaft können die Erfolge anderer im Forschungsalltag schon manchmal sein. Vielleicht, als die Kollegin begeistert erzählte, dass ihr Drittmittelantrag bewilligt wurde, Sie von der Zitationsrate eines Kollegen ei- ner befreundeten Arbeitsgruppe erfuh- ren, oder wenn ein Ruf dann doch nicht an Sie, sondern an eine Konkur- rentin ergangen ist. Natürlich sind in einem solchen Moment auch andere Gefühle möglich. Vielleicht freuen Sie sich für die andere Kandidatin, bewun- dern die Zitationsrate des Kollegen und teilen den Stolz auf die Drittmittelerfol- ge ihrer Kollegin. Auch dies sind Ge- fühle, die durch besondere Leistungen anderer hervorgerufen werden. Sie wer- den positiv erlebt und sind sozial ak- zeptiert, während Neid etwas ist, was wir nicht so gerne zugeben. Der Neid hat aber auch seine guten Seiten. Vergleiche mit anderen Neid wird durch Vergleiche mit anderen ausgelöst. Solche sozialen Vergleiche dienen zunächst dazu, sich selbst und seine Leistungen, Eigenschaften und Fähigkeiten einschätzen zu können. Gleichzeitig liefern Vergleiche Informa- tionen über die eigene Position im so- zialen Gefüge. Welchen Status genießen wir in einer Gruppe? Status ist Aus- druck der Anerkennung durch andere und diese Anerkennung untermauert unseren Selbstwert. Status fühlt sich aber nicht nur gut an, sondern eröffnet auch Möglichkeiten. Personen mit ho- hem Status haben mehr Einfluss und – um auf das Wissenschaftssystem zu- rückzukommen – die Anerkennung an- derer hilft, Preise zu gewinnen, Dritt- mittel zu akquirieren und gut ausgestat- tete Positionen zu erhalten. In dem Streben nach Anerkennung und Status dient Neid als Warnsignal: Es schmerzt zu sehen, dass andere besser und weiter sind als wir selbst. Zwei Formen des Neids Diese schmerzhafte Erkenntnis geht mit dem Wunsch einher, die Differenz zur überlegenen Person zu reduzieren. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Ent- weder verbessern wir die eigene Positi- on oder verschlechtern die Position des anderen. In der deutschen Sprache drückt sich dieser Unterschied in den Begriffen beneiden und missgönnen aus. Missgunst beinhaltet feindselige Gefühle. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die andere Person: Wäre sie doch bloß nicht mehr so erfolgreich! Dies kann das soziale Miteinander un- tergraben. Die Forschung bezeichnet das als bösartigen Neid (malicious envy). Manchmal steht beim Neid aber auch der eigene Weg zur Errungenschaft im Mittelpunkt. Der Fokus liegt dann darauf, wie wir ebenfalls bekommen, was andere haben. In der Form des gut- artigen Neids (benign envy) motiviert uns der schmerzhafte Vergleich, Ziele mit Eifer zu verfolgen. Gutartiger Neid kann sich positiv auf die individuelle Leistungsfähigkeit auswirken und för- dert den Mut, Risiken einzugehen und Herausforderungen anzunehmen. Den- noch soll das nicht darüber hinwegtäu- schen, dass beide Neidformen als unan- genehm erlebt werden und weh tun. Wovon hängt es ab, ob eher gutarti- ger oder bösartiger Neid empfunden wird? Neid motiviert dann, wenn der Weg zum Erfolg als kontrollierbar erlebt wird. Darin unterscheiden sich Menschen. Den Gedanken, dass etwas leicht oder nur schwer zu schaffen ist, kann uns der Moment aber auch auf- drängen. Es ist zudem wichtig, ob wir das Gefühl haben, dass die andere Per- son ihren Erfolg verdient. Erscheint der Erfolg unverdient, ist bösartiger Neid wahrscheinlicher. Generell wird Neid befeuert, wenn wir sehen, dass andere besonders stolz auf einen Erfolg sind. Wie die andere Person ihren Stolz aus- drückt beeinflusst mit, ob eher gut- oder bösartiger Neid erlebt wird. Manchmal kann man förmlich sehen, dass andere ihren Erfolg auf harte Ar- beit zurückführen – sie sind stolz auf Das tut weh, aber motiviert auch Neid an der Universität | K A TJ A C O R C O R A N | J A N C R U S I U S | An der Universität streben wir nach Exzellenz. Herausragende Leistungen ermöglichen eine wissenschaft- liche Karriere. Wir freuen uns über die eigenen Erfolge. Aber wie geht es uns, wenn wir die Erfolge anderer betrachten? Das kann schon mal Neid auslösen. A U T O R E N Katja Corcoran ist Professorin und leitet den Arbeitsbereich Sozialpsychologie an der Universität Graz. Dr. Jan Crusius lehrt und forscht in der Abteilung Sozial- psychologie an der Universität zu Köln. Foto: René Kopietz

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