9|23 Forschung & Lehre NACHRICHTEN 653 Täglich aktuelle Nachrichten auf www.forschung-und-lehre.de KOMMENTAR Mehr Sicherheit Die geopolitischen Spannungen haben in der Politik zu einer veränderten Sichtweise auf Forschungskooperationen und Tätigkeiten ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Hochschulen geführt. Die Bundesforschungsministerin geht mit nahezu wöchentlichen Äußerungen voran. Fast ist man geneigt zu sagen: endlich. Dabei geht es zurzeit insbesondere um verstärkte Spionage aus China. Spionage ist allerdings keine Erfindung der Chinesen, sie gibt es seit Urzeiten, überall auf der Welt. Deutsche Sicherheitsbehörden warnen die Regierung seit Jahren vor der Gefahr des Ausspähens in Wissenschaft und Forschung. Und deutsche Hochschulen haben die Chancen und Risiken internationaler Zusammenarbeit gegeneinander abwägen und differenziert entscheiden müssen. Es bedarf für sie jedoch mehr als vager Empfehlungen zu internationalen Wissenschaftskooperationen und einer steten Betonung des hohen Guts der Wissenschaftsfreiheit. Was Not tut, sind praxistaugliche Richtlinien zu grundsätzlichen Fragen der Zusammenarbeit. Mehr Beratungsleistungen durch Kompetenzzentren wie zum Beispiel den DAAD können da helfen. Die angedachten Etatkürzungen bei internationalen Austauschorganisationen sind das Gegenteil von erhöhter Sicherheit. Gerade weil Wissenschaft den Austausch über Ländergrenzen hinweg braucht, ist es nötig, mehr für die Sicherheit unserer Forschung zu tun – mit klarer Position, Strategie, aber auch Geld. Yvonne Dorf Diskussion über Spionage aus China hält an Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger will die Zusammenarbeit mit China in der Wissenschaft auf den Prüfstand stellen. „Multipolarität, Cyberbedrohungen und systemische Rivalität gerade mit China nehmen stetig zu. All das hat Konsequenzen für Wissenschaft und Forschung“, schrieb die FDP-Politikerin in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „Die Zeitenwende macht einen strategischeren Ansatz erforderlich, der das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit mit unseren sicherheitspolitischen Interessen in Einklang bringt.“ Missbrauch von Forschung, ausländische Einflussnahme und vor allem der ungewollte Abfluss von Know-how und Technologie ins Ausland seien immer stärkere Risiken für die Wissenschaft. Um diese besser zu schützen, sei ein sensiblerer Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung notwendig. Gleiches gelte für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Wissenschaftsfreiheit. „Ausländische Akteure nutzen bestehende Spielräume zum Nachteil unserer nationalen Sicherheit“, sagte Stark-Watzinger laut Bericht mit Blick auf einzelne chinesische Forschende, die an deutschen Universitäten arbeiteten. Die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz hatte kurz zuvor vor chinesischer Spionage durch Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler an Universitäten und Hochschulen in Baden-Württemberg gewarnt. „Die Gewinnung von Erkenntnissen durch menschliche Quellen findet noch immer statt. Nicht nur durch russische Dienste. Vor allem in der Wissenschaft ist auch China vorne mit dabei“, sagte Beate Bube den Zeitungen „Heilbronner Stimme“ und „Südkurier“. Das Bundeskabinett hatte zuvor ein Strategiepapier zu den Beziehungen mit der Volksrepublik China beschlossen. Die Zusammenarbeit in der Wissenschaft solle „werte- und interessengeleitet“ weiterentwickelt werden. Die Zusammenarbeit müsse aber unter dem Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft erfolgen. Illegitime Einflussnahme und einseitiger Wissens- und Technologietransfer müssten minimiert werden. Auch der Allgemeine Fakultätentag (AFT) hatte sich positioniert und Empfehlungen für wissenschaftliche Kooperationen mit China veröffentlicht. „Forschung & Lehre“ berichtete über die Papiere in der August-Ausgabe. Kürzungen bei Wissenschaftseinrichtungen geplant Der Deutsche Akademische Austauschdienst soll 2024 weniger Geld vom Auswärtigen Amt erhalten, seinem wichtigsten Geldgeber. Die Grundfinanzierung des DAAD soll im kommenden Jahr auf 215,3 Millionen Euro sinken. 2023 sind noch 222 Millionen Euro vorgesehen. Seitens des zweitwichtigsten Geldgebers des DAAD, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), soll nach den aktuellen Plänen nicht gespart werden. Ebenfalls von Kürzungen in der Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes betroffen sind die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) und das Goethe-Institut, die 2024 laut den Berichten rund 54 Millionen Euro (2023: 56) beziehungsweise etwa 226 Millionen Euro (2023: 235) bekommen sollen. Im Koalitionsvertrag sind eigentlich jährliche Zuwächse von drei Prozent für DAAD, AvH und GoetheInstitut vorgesehen. Der Bundeshaushalt für 2024 ist noch nicht beschlossen, Änderungen sind in den kommenden Monaten möglich. Die politischen Verhandlungen dazu beginnen im September. Im vergangenen Jahr konnten geplante Kürzungen im Haushalt 2023 für das BMBF und das Auswärtige Amt nach massiven Protesten aus der Wissenschaft und langen parlamentarischen Verhandlungen abgewendet werden. Öffentliche Kritik an den Sparplänen für 2024 äußerten unter anderem bereits Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker der CDU, der SPD und der Grünen. So sagte Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Bildungs- und Forschungsausschusses, dem „Tagesspiegel“ gegenüber: „Stipendienprogramme zu kürzen, würde Chancen von Talenten und Spitzenkräften im In- und Ausland schwächen und damit auch die so sinnvolle Internationalisierung unseres Wissenschaftsstandorts.“
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=