9|23 Forschung & Lehre FORSCHUNG 669 wicklung des industriellen Prozesses, Gerhard Ertl in 2006 für die vollständige Aufklärung der Reaktionsmechanismen. Von der Grundlagenforschung zur Anwendung und wieder zurück. Aus erkenntnisgewinnender Forschung wurde erkenntnisnutzende Forschung. Ein Beispiel für gelungenen Wissenstransfer. Und damit dürfen wir nicht aufhören. Aus heutiger Sicht wirft die Ammoniak-Synthese Probleme auf. Hohe Temperaturen und Drücke können nur durch eine erhöhte Energiezufuhr erreicht werden. Dies ist mit beträchtlichen CO2-Emissionen verbunden. Der für die Synthese mit Stickstoff eingesetzte Wasserstoff kommt aus Erdgas. Allein zehn Prozent des Erdgases weltweit werden im Haber-Bosch-Verfahren eingesetzt. Wir müssen also nach technischen Lösungen suchen, die Ammoniak-Synthese bei milderen Bedingungen durchführen oder gar andere Prozess der Stickstofffixierung finden. Beispiel: Gesundheit Ziel Nr. 3 der UN-Agenda fordert ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters. Dazu gehört unter anderem eine schnelle, finanziell verträgliche und gesellschaftlich akzeptierte Entwicklung von Arzneimitteln. Bestes Beispiel dafür sind die Covid-Impfstoffe. Die in vielen Jahren Grundlagenforschung entwickelte mRNA-Technologie hat Impfstoffe in Rekordzeit verfügbar gemacht und damit die Pandemie entscheidend beeinflusst. So konnten schwere Verläufe deutlich reduziert werden. Mit der mRNA-Technologie kann sehr flexibel eine große Bandbreite an Krankheitsbildern adressiert werden. Sie erlaubt eine schnelle Entwicklung von Medikamenten und vor allem eine Skalierbarkeit in der Produktion von sehr kleinen bis hin zu sehr großen Mengen. Die Palette reicht hier von Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten bis hin zu Medikamenten gegen Krebserkrankungen. Booster-Impfstoffe sind innerhalb kurzer Entwicklungszeit verfügbar. Eine solches Entwicklungstempo für Impfstoffe war bis vor kurzem undenkbar, ist nun aber dank der mRNA-Technologie möglich geworden. Heute noch begeistert mich das „Projekt Lightspeed“, der Weg zum Biontech-Impfstoff, den Özlem Türeci, Uğur Şahin und später hinzugekommen Katalin Karikó so enthusiastisch verfolgt haben. Die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler haben gebrannt für die Forschung, sie haben den neuen Impfstoff unbedingt gewollt und rund um die Uhr dafür gearbeitet. Auch solche Phasen im Leben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern muss es geben. Man kann nicht einfach auf den Zufall warten. Der Biochemiker Carl Ferdinand Cori sagte einmal: „Luck does not exist because it is always the same people who are lucky.” Beispiel: Energieversorgung In Ziel Nr. 7 der UN-Agenda wird eine bezahlbare, verlässliche und nachhaltige Energie gefordert. Natürlich steht hier die Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen im Fokus. Wind und Sonne sind solche unerschöpflichen Quellen, stehen aber nicht rund um die Uhr, zu jedem Tag und zu jeder Jahreszeit gleichmäßig zur Verfügung. Um die Volatilität dieser Energieformen aufzufangen, benötigen wir ausreichende Speicherkapazitäten und geeignete Transportmöglichkeiten für den aus Erneuerbaren erzeugten Strom. Dazu muss die Entwicklung von Batterien und Akkus und deren Einsatz im Verkehr weiter vorangetrieben werden. Auf die Wasserstofftechnologie werden wir ebenfalls nicht verzichten können. Mit Strom aus Onund Off-Shore Windanlagen wird durch Elektrolyse von Wasser der Energieträger Wasserstoff gewonnen, für den geeignete Speicher- und Transportmöglichkeiten zu entwickeln sind. Da der reine Wasserstoff schlecht zu handhaben ist, empfiehlt sich eine Speicherung in wasserstoffreichen Molekülen, wie Ameisensäure, Ammoniak, Methanol oder Methan. Diese Verbindungen können zudem als Grundstoffe in der chemischen Industrie eingesetzt werden, die bisher aus fossilen Energieträgern gewonnen werden mussten. Transportmöglichkeiten dafür sind bereits vorhanden, so dass am Zielort auch wieder Wasserstoff freigesetzt und mittels einer Brennstoffzelle wiefoto: mauritius images / Science Photo Library / Fanatic Studio
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