Forschung & Lehre 09/2023

9|23 Forschung & Lehre auf den Punkt. Zudem seien Bücher aus Russland nicht mehr bestellbar. Didaktisches Material veralte sehr schnell, neues könne man schlecht einschätzen. Die Institute stehen außerdem vor einem weiteren großen Dilemma: Anträge auf die entsprechenden DAADProgramme und Ostpartnerschaften dürfen nicht mehr gestellt werden. Das Aussetzen der Austauschprogramme hat massive Folgen für die Möglichkeiten des Spracherwerbs, die für ein Slawistik-Studium unabdingbar sind. „Alle Austauschprogramme sind ausgesetzt, was für Studierende des Russischen sehr problematisch ist, da sie ihre Sprachkenntnisse unbedingt in einem russischsprachigen Land verfestigen müssen,“ schildert Schlund das Problem. Der Verlust von authentischen Kenntnissen des Landes aus eigener Anschauung sei die Folge, meint Lecke. Reflexion und Emotionen Auf einer anderen Ebene lägen Auswirkungen, die eine Reflexion über politische, ideologische und ethische Rahmenbedingungen in Gang gesetzt hätten. „Dies hat (…) zu einer kritischen Rückschau geführt und einen gehörigen Mangel an wissenschaftspolitischer als auch innerfachwissenschaftlicher Aufmerksamkeit und damit auch ethischer Verantwortung sichtbar gemacht“, merkt Professor Jurij Murasov, Universität Konstanz, an. Neben der eher bedrückten Stimmung an den SlawistikInstituten wird immer wieder die Trauer der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über zerbrochene Freundschaften und den Verlust jahrzehntelang aufgebauter gemeinsamer Forschungsarbeit deutlich. Es herrscht auch Sorge darüber vor, welche Folgen die Maßnahmen für die russischen Kolleginnen und Kollegen haben werden. „[Wir wissen], wie schwierig die Isolation für die in Russland verbliebenen Kolleginnen und Kollegen ist, waren es doch in den vergangenen Jahrzehnten der Sowjetzeit bis in die Ära Putin immer wieder gerade Vertreterinnen und Vertreter der russischen Intelligenzija, die autoritäre, antidemokratische Tendenzen in der russländischen Gesellschaft zur Sprache gebracht haben“, so Krause. Dass Deutschland regimekritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu wenig unterstütze und kaum Überlegungen anstelle, wie Netzwerke erhalten werden können, wird vielfach angemerkt. „Dazu könnte auch eine stärkere Förderung von Einladungen russischer Gastforschender zu Kurzaufenthalten zählen, durchaus unter bestimmten Bedingungen, (…), auch sollte es eine finanzielle Unterstützung geben, wenn wichtige russische Forschende um Hilfe suchen, die die Russische Föderation zeitweise verlassen oder emigrieren möchten,“ schlägt Stahl vor. „Es wäre wünschenswert, studentischen Austausch trotz des Krieges in reduziertem Rahmen und mit flankierenden Maßnahmen zu ermöglichen,“ fordert Professorin Meyer-Fraatz, Universität Jena. Welche Wege werden gegangen? Im Umgang mit den Einschränkungen versuchen die Slawistik-Institute, das Beste aus der Situation zu machen. „Ich habe mich dazu entschlossen, im Bereich Russische Literatur keine russländische Literatur mehr zu lehren, sondern nur noch russischsprachige Literatur von Autoren aus den ehemaligen Kolonien Kasachstan, Ukraine, Kirgistan, Belarus und Turkmenistan,“ sagt Freise. Die Universität Hamburg baut ähnlich wie andere deutsche SlawistikInstitute bestehende Partnerschaften mit anderen Ländern aus und sucht sich neue Partner. „Dabei rücken neben den slawisch sprechenden Ländern wie Polen, Tschechien oder Bulgarien auch die Staaten des Baltikums wieder in den Fokus. Sie erfüllen politisch, kulturell und sprachlich eine wichtige Brückenfunktion“, beschreibt Bucic die Umorientierung. Weiterhin wird vielfach versucht, die Kontakte zu den russischen Kolleginnen und Kolleginnen auf inoffizieller Ebene zu halten, bei gleichzeitiger Vorsicht, diese dadurch nicht unnötig zu gefährden. Teilweise entschließen sich die Institute, Kooperationen und andere Projekte ohne finanzielle Unterstützung zu stemmen, so beispielsweise an der Universität Jena. Ausblick Die Institute hoffen auf ein baldiges Ende des Krieges. Wie könnte es dann weitergehen? „Es wird nicht einfach möglich sein, nach Ende des Krieges auch unter bestmöglichen Bedingungen an das jahrzehntelang Aufgebaute wieder anzuknüpfen. Vertrauen muss wiedergewonnen werden, auf beiden Seiten,“ beschreibt Bucic. Persönliche Kontakte und Wertschätzung seien die Basis, um einen Neustart in den Beziehungen zu wagen, wenn es soweit sei. KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu www.scienceweek.kit.edu ZUKUNFT GEMEINSAM NACHHALTIG GESTALTEN MITREDEN. MITMACHEN. MITFORSCHEN. 2023 10.-15. Oktober 2023 INTERNATIONALE NACHHALTIGKEITSKONFERENZ UND SPANNENDE VERANSTALTUNGEN FÜR WISSENSDURSTIGE JEDEN ALTERS. AM KIT, IN KARLSRUHE UND ONLINE.

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