686 LESERFORUM Forschung & Lehre 9|23 Heft 7/23: Vom Akkordarbeiter zum Gutachter Verständlicher? Vielen Dank für den spannenden Artikel zu digitalen Übersetzungen. Allerdings bin ich mit der Implikation, dass die humane Übersetzung besser wäre als die GPT-4 Übersetzung, nicht einverstanden. Als Anglistin finde ich die GPT-4 Vertextung rundum idiomatischer und verständlicher – der Autor sagt selbst, dass das Programm sogar die unsäglichen deutschen Langsätze regelmäßig in mehrere kürzere Sätze umwandelt. Die zitierte Humanübersetzung „has been working to provide“ ist äußerst unidiomatisch. Zwar transformiert diese Übersetzung den einzelnen deutschen Satz in zwei sehr lange englische, ebenso wie GPT-4; dennoch liest sich die GPT-4 Übersetzung einfacher. Sie ist auch prägnanter und durch Parataxe sowie die Formel „with a focus“ besser zu dekodieren als die etwas behäbige deutsche Humanübersetzung. Ein Problem der Humanübersetzung (in diesem Beispiel!) ist, dass zu viele Nominal-Cluster vorkommen und krampfhaft versucht wird, den sehr kondensierten deutschen Originalsatz in allen seinen Implikationen aufzurollen. Der Eindruck, der sich mir ergibt, ist, dass die Humanübersetzung sehr „teutonisch“ klingt. Von der Qualität der Übersetzung in GPT-4 war ich sehr überrascht, hatte ich doch schon einige Artikel gelesen, in denen illustriert wurde, dass das Programm beim Aufsatzschreiben einfach „Tatsachen“ erfindet und überhaupt nicht zuverlässig ist. Wohl scheint es so zu sein, dass je nach Art der Aufgabe die Qualität mal besser und mal schlechter ist. Professorin Dr. Monika Fludernik, Universität Freiburg Heft 8/23: Konstante im Wandel Wahrheitsbegriff In einem interessanten Artikel hat der Staatsund Verwaltungsjurist M.-E. Geis zu Recht an die Relevanz des vor 50 Jahren ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.1973 erinnert. Aus diesem Urteil resultierte nämlich eine Garantie der „Professorenmehrheit“ in Fragen von Forschung und Lehre und das hatte nach Geis u.a. die positive Konsequenz, im Unterschied zur Praxis in anderen Ländern, nach wie vor ein „mächtiges Bollwerk“ gegen die Ökonomisierung der Hochschulen zu bilden. Grundlage für das BVG-Urteil war das Ziel, die Wissenschaftsfreiheit zu schützen. Diese Freiheit erstrecke sich auf alles, „was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“. Geis behauptet nun allerdings, dass diese Wissenschaftsdefinition „im Grunde nur die empirischen Wissenschaften“ erfasse, was den Richtern des BVG-Urteils aber vermutlich nicht bewusst gewesen sei. Dagegen spiele „Wahrheit“ (im Sinne von Fakten bzw. Tatsachen) in anderen Wissenschaften keine Rolle. Als Beispiele für diese Irrelevanz nennt er Wissenschaften, die er als normativ einstuft (so die Mathematik und die Rechtswissenschaften) oder als analytisch (so die Sprach- und Literaturwissenschaften) oder als deutend (so die Philosophie). Dieser Behauptung liegen zwei gravierende Probleme zugrunde. Erstens macht Geis hier Pauschalaussagen über Wissenschaften, deren Vorgehensweise er offensichtlich nur unzureichend kennt. Z.B. versteht sich die Sprachwissenschaft mittlerweile weitgehend als eine empirische Disziplin und die Mathematik ist keinesfalls als eine normative Wissenschaft einzustufen. Zweitens sollte man den Wahrheits- und den Tatsachenbegriff heutzutage nicht mehr unreflektiert verwenden. Wissenschaftslogisch genau genommen geht es nämlich im Allgemeinen stets um die in Abhängigkeit von zugrundeliegenden Vorannahmen und/oder nur in bestimmten Kontexten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ableitbare Geltung von Aussagen. Deshalb wird in den aktuellen Diskussionen über eine gute wissenschaftliche Praxis von der Wahrhaftigkeit gesprochen, mit der bei der Formulierung und Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen die betreffenden Einflussfaktoren systematisch berücksichtigt werden sollten. Zum Erreichen dieser Zielsetzung ist m.E. in manchen Disziplinen noch einiges zu tun. Nach wie vor geht es jedenfalls im Sinne der Formulierung des BVG-Urteils darum, durch nach Inhalt und Form ernsthafte und planmäßige Versuche zur Ermittlung jeweils geltender Aussagen zu gelangen. Professor Dr. Walther Kindt, Universität Bielefeld Zustimmung und Widerspruch Gemeinsam präsentieren. Gemeinsam überzeugen. Mit ProBe. www.coaching-ProBe.de ProBe Präsentationscoaching für Forschungsgruppen Anzeige
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