11|23 Forschung & Lehre 817 STANDPUNKT Seit 70 Jahren stiftet die Alexander von Humboldt-Stiftung nachhaltige Verbindungen zwischen Spitzenforschenden aus dem Ausland und Deutschland. Diese stärken durch temporäre oder langfristige Forschungsaufenthalte den Wissenschaftsstandort Deutschland. Ein Beispiel dafür ist die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, die 2014 mit einer Humboldt-Professur nach Deutschland kam. Der gute Riecher der Auswahlkommission bewies sich, als Charpentier 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wurde. Heute leitet sie eine MaxPlanck-Forschungsstelle in Berlin. Ein Beispiel dafür, wie attraktiv Deutschland für Spitzenforschende aus dem Ausland ist. Die Humboldt-Stiftung hat einen großen Anteil daran, dass in Deutschland internationale Forschungsgruppen entstehen, für die Willkommenskultur nicht nur ein Schlagwort ist. In diesen Teams entsteht jene Perspektivenvielfalt, die Wissenstranslation und neue Erkenntnisse überhaupt möglich macht. Wissenschaft braucht solide Finanzierung und Zeit. Denn manchmal dauert es, bis die zuerst zweckfreie Grundlagenforschung zum entscheidenden Durchbruch führt, wie es bei der jahrzehntelangen Forschung zum mRNA-Impfstoff war. In Deutschland weiß man eigentlich um die Bedeutung der Wissenschaft und fördert die Grundlagenforschung. Was uns als Wissenschaftsstandort stark gemacht hat, ist nun durch drohende Haushaltskürzungen in Gefahr: Mit Sorge stellt die Humboldt-Stiftung fest, dass ihre Geförderten vom Stipendium kaum noch die Lebenshaltungskosten bestreiten können. Es hat in den letzten zehn Jahren ein Fünftel an Kaufkraft verloren. Deshalb muss mehr Geld in den Wissenschaftsaustausch investiert werden. Ansonsten kann zum Beispiel die Humboldt-Stiftung in Zukunft weniger Stipendien vergeben. Das würde mit einem Verlust an Diversität und damit an Perspektivenvielfalt der Forschungsteams in Deutschland einhergehen. Das Phänomen ist allgemein bekannt: Jene Talente, denen man einen Vertrauensvorschuss schenken muss, würden durchs Raster fallen. Forschende, die auf Umwegen in der Wissenschaft Karriere machen oder aus Nationen stammen, die nicht so gut an das Publikationssystem des globalen Nordens angeschlossen sind, hätten kaum Chancen. Das entspricht nicht den Vorstellungen einer globalen Wissenschaftsförderung, die ausgleichend und entwicklungsrelevant wirkt. Deshalb fordern wir seit Jahren, dass die Humboldt-Stiftung und der DAAD in den Pakt für Forschung und Innovation aufgenommen und die Stipendiensätze dynamisiert werden. Es ist eine Investition in die Zukunft. Sonst wird Deutschland künftig nicht nur bei Preisverleihungen leer ausgehen. Es ginge die Grundlage des Fortschritts für alle verloren. Stipendien zu erhöhen, ist kein Luxus! Robert Schlögl ist Professor für Chemie und Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung. Foto: Humboldt-Stiftung-David Ausserhofer
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