Forschung & Lehre 11|23 826 HOCHSCHULFINANZIERUNG serhähne installieren können, haben wir Hochschulen kein Warmwasser mehr, sondern nur noch Kaltwasser, um Energie zu sparen. So schaut’s aus. F&L: Die baulich-technische Infrastruktur der Universitäten in Deutschland ist teils in einem sehr schlechten Zustand. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Probleme und was könnte man tun? Wolfram Ressel: Das Thema Bau ist für mich die größte Ernüchterung als Rektor einer Universität. Ich bin da offen und ehrlich: Das staatliche Bauen an Universitäten ist weitgehend tot – und zwar schon seit vielen Jahren. Ich kann das auch nachweisen anhand von Zahlen. Der Sanierungsstau an unserer Universität – vom Rechnungshof vor Jahren gerechnet, nicht von uns – liegt bei über 1,6 Milliarden Euro, inzwischen bei über weit über 2 Milliarden Euro. Weil das Geld nicht da ist, wird es kein einziges staatliches Programm geben in Deutschland, um diesen Sanierungsstau auch nur annähernd zu beheben. Man muss also überlegen, wie man Abhilfe schafft. Und da wird es mit den Ländern schwierig, sie wollen nichts an den Organisationsstrukturen verändern. Sie sorgen sich, dass sie ihre Hochschulbauabteilungen abbauen müssen und es dann andere für noch mehr Geld machen. Es gäbe Modelle mit der privaten Wirtschaft zusammen, die Abhilfe schaffen könnten. Hier handelt es sich aber um eine langfristige Zusammenarbeit. Es gibt Kammern, die Pensionsleistungen, oder Lebensversicherer, die auch langfristig anlegen müssen. Sie würden gern mit einer Universität ein Bauprogramm starten, weil sie wissen, Universitäten sind sicher und existieren über lange Zeiträume. Diese Einrichtungen und Firmen benötigen niedrige Renditen. Sie würden vollumfänglich in das Baugeschäft mit den Universitäten einsteigen. Ich habe das schon alles ausdiskutiert, wir haben Material dazu erstellt, das wir den Ministerien geschickt haben – keine Reaktion. Das einzige, was Sie hören: Da ist noch einer beteiligt, dann wird es ja noch teurer. Was eben nicht der Fall ist, wenn man es sinnvoll mit einem Facility-Management während der Betriebsphase betreut. Wir könnten das Thema angehen, wenn man es wollte. Natürlich handelt es sich hier um radikale Änderungen. In dem Moment, wo staatliches Bauen in ein privatwirtschaftlich gelenktes System überführt wird, werden wir deutliche Verbesserungen bekommen. Hochtechnologisierte Bereiche wie zum Beispiel Quantenlabore betrifft das sicher nicht, dazu brauchen wir weiterhin das staatliche Planen und Bauen. Die private Finanzierungsbeteiligung hat also auch ihre Grenzen. Aber der normale Hochschulbau würde darüber leichter finanziert werden können. F&L: Besteht da nicht die Gefahr der Abhängigkeit? Wolfram Ressel: Das könnte man meines Erachtens vertraglich weitgehend ausschließen. Es geht hier nicht um Themen, die irgendwie gesteuert werden könnten, sondern um eine Objektanlage. Ich wüsste derzeit keinen anderen Weg aus dieser Misere, die immer schlimmer wird. Wir müssen Gebäude schließen, weil die Technik aus dem letzten Jahrhundert stammt, kein Handwerker da mehr reingeht und niemand mehr Ersatzteile beschaffen kann. Wir bekommen die Themen nicht mehr in den Griff, wenn nur noch staatlich gebaut wird. Es geht auch um das Außenbild, das wir abgeben, unabhängig von den Gebäuden selbst. Das tut weh. Bei jedem Sonderforschungsbereich, den wir hier an der Universität Stuttgart verteidigen, gehen wir in ein Gebäude, das sich in einem einigermaßen guten Zustand befindet. Und dann bepflanzen wir es außen, damit der Gutachter, wenn er kommt, wenigstens einen einigermaßen ansprechenden Eindruck bekommt. Das hat nichts mit der Begutachtung unmittelbar zu tun, aber es bleibt indirekt im Unterbewusstsein hängen. F&L: Neben Geld braucht es offensichtlich auch mehr Flexibilität und Veränderungsbereitschaft. Wolfram Ressel: Wir brauchen eine höhere Grundfinanzierung und ein ganz neues Baumanagement mit einer neuen Organisation des öffentlichen Bauens. Für uns ist das Finanzministerium zuständig, nicht das Wissenschaftsministerium. Neben schwierigen prozessualen Konsequenzen bleibt Geld das Thema. Annähernd eine Milliarde Euro hat Baden-Württemberg in die Sanierung seiner Staatsbauten in 2022 investiert. Präsentiert wird das in einem umfänglichen Geschäftsbericht, in dem die neun Landesuniversitäten kaum auftauchen. Ausgerechnet da, wo junge Menschen für unsere Zukunft und Gesellschaft ausgebildet und gebildet werden, das wird vernachlässigt. Wir müssen neue, wirklich neue Ideen mit frischem Kapital in das System einbringen und Überzeugungsarbeit leisten, dass sich das rechnet und einen positiven Einfluss hat. Andernfalls bekommen wir den Sanierungsstau und den Neubaubedarf auch unter energetischen Gesichtspunkten nicht mehr in den Griff. Die Strukturen sind zu festgefahren. Momentan können wir in den Universitäten mit einigen Einschränkungen noch gut arbeiten, es funktioniert noch. Aber wir haben immer engere Haushalte und durch plötzlich auftretende Krisen geraten wir dann deutlich ins Minus und müssen stark sparen. Irgendwann kommt der Punkt, wo wir nicht mehr die von uns erwartete Leistung bringen können. Er ist noch nicht da, aber er ist nicht mehr allzu weitweg. Es braucht auch Vertrauen. In einer immer höher werdenden Dichte erreichen uns neue Erlasse aus den Ministerien, was wir nicht machen dürfen – natürlich aus Problemfällen heraus. Daraus ergeben sich rechtliche Vorgaben, mit denen wir in der Praxis nicht arbeiten können. Die Autonomie der Universitäten wird zwar hochgehalten, aber faktisch gibt es die nicht mehr. Wir sind durch die Bürokratie so eingeschränkt, dass wir kaum noch Handlungsspielraum haben. Beispielsweise die Beihilfeverordnung der EU oder die DAW, die Dienstanweisung Hochschulbau vom Land Baden-Württemberg, sind Bürokratieschleudern, die uns nur behindern und deswegen auch keine Lösungsmöglichkeiten aufbauen lassen, wie wir das Ganze vielleicht intelligenter angehen könnten. Wir können das momentan nur wegdrücken, indem wir in der Forschung große Erfolge feiern. Fördermittel, die die Universität in der Nachhaltigkeit der wettbewerblichen Projekte dann aber sehr teuer kommen. Ein Exzellenzcluster ist etwas ganz Tolles, aber es handelt sich dabei um eine langfristig angelegte Strukturmaßnahme. Nach sieben Jahren Förderung, und wenn es gut läuft, eine weitere Förderperiode, sind zusätzlich zehn Professuren im System. Die müssen ausgestattet und untergebracht werden. Je erfolgreicher eine Universität, desto schneller müssen wir laufen, damit wir das Defizit aufhalten. Die Fragen stellte Vera Müller.
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