Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 828 HOCHSCHULFINANZIERUNG Hochschulfinanzierung Gestern, heute und morgen In den beiden letzten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts führten ökonomisch motivierte Diskussionen zu einer kritischen Bewertung der Hochschulsysteme in vielen Ländern, sie wurden als eher wenig dynamisch und innovativ angesehen. Fehlende Leistungsanreize aufgrund einer recht starren, unflexiblen Vergütungsstruktur mit wenigen Leistungsanreizen, verbunden mit recht großen Freiheitsgraden, wurden als Hauptursache angesehen, warum Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu wenig publizierten, Forschungsergebnisse wenig innovativ waren, etc. In der Folge wurden neue Steuerungs- und Leistungsmechanismen sowie neue Vergütungsstrukturen entwickelt und umgesetzt, die intrinsische Motivation durch eine stärker extrinsisch ausgerichtete ersetzt und die Hochschulfinanzierung durch stärker wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren in Richtung Drittmittel und Leistungsorientierung getrimmt. Als Ökonom habe ich viele dieser Diskussionen wohlwollend begleitet oder auch mit vorangetrieben; mittlerweile habe ich erhebliche Zweifel, ob beziehungsweise inwieweit wir hier nicht von (partiell) falschen – oder zumindest verkürzten – Prämissen ausgegangen sind und es in der Sache übertrieben haben. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, dass der veränderte Mindset dem Hochschulsystem gut getan hat und es heute ohne diese Veränderungen schlechter dastünde. Es stellt sich daher die Frage, ob und welche Weichen wir wie stellen müssen, damit das Hochschulsystem die Herausforderungen der Zukunft gut bewältigen kann. Einnahmen der Hochschulen In der Hochschulfinanzierung haben die skizzierten Entwicklungen dazu geführt, dass der Aufwuchs der Hochschuleinnahmen seit 2006 vor allem über verstärkte Dritt- bzw. temporäre Mittel erreicht wurde, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Die Hochschuleinnahmen in Deutschland sind – bezogen auf Lehre und Forschung und ohne die Krankenbehandlung – zwischen 1995 und 2020 von 17,9 Mrd. Euro auf 42,3 Mrd. Euro (+136 Prozent) gestiegen (siehe Abbildung). Deutlich wird dabei der vergleichsweise moderate Anstieg zwischen 1995 und 2005 auf 21,7 Mrd. Euro (+21 Prozent) und der seither deutlich stärkere Anstieg um 95 Prozent gegenüber dem Referenzwert des Jahres 2005. Bei der Verschiebung von der Grundfinanzierung zu temporären Mitteln zeigt sich, dass sich der Anteil der Grundfinanzierung des Sitzlandes für Lehre bzw. Forschung und Entwicklung von 77 Prozent (1995) über 73 Prozent (2005) auf 52 Prozent (2015) verringert hat. Das bedeutet, der Anteil temporärer Mittel hat sich binnen zehn Jahren fast verdoppelt, er beträgt nun fast die Hälfte der gesamten Hochschuleinnahmen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dies seither grundlegend verändert hat, eher ist unter Umständen anzunehmen, dass der Anteil temporärer Drittmittel weiter angestiegen ist – aber dies ist nur eine Vermutung beziehungsweise These. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein – allerdings meist geringer – Teil der Landesmittel nicht als allgemeine oder „leistungsunabhängige“ Zuweisungen geleistet wird, sondern als Teil der leistungsorientierten Mittelverteilung oder als Projekt- oder Programmförderung. Daher dürfte sich die Grundfinanzierung im Jahr 2015 auf höchstens 50 Prozent belaufen haben. Die restlichen knapp 50 Prozent kommen aus anderen Quellen und sind als mehr oder minder temporäre Mittel anzusehen, wobei die Abgrenzung nicht immer eindeutig ist. Auswirkungen auf das wissenschaftliche Personal Für die einzelnen Hochschulen bedeutet dies, dass ein immer geringerer Anteil des Haushalts längerfristig einigermaßen planbar und ein deutlich größer gewordener Anteil nur temporär gesichert ist. Daraus folgt zwangsläufig, dass ein zunehmend größer gewordener Anteil des wissenschaftlichen Personals nur noch befristet, für die Laufzeit der jeweiligen Drittmittelprojekte, eingestellt werden kann. Dies entspricht auch der Ende der 1990er Jahre deklarierten Maxime, dass der daraus resultierende Wettbewerb um Stellen zu Leistungs- bzw. Qualitätssteigerungen beim wissenschaftlichen Personal, insbesondere beim Mittelbau, führen werde und nur die besten Köpfe langfristig im System bleiben würden. Zum anderen bedeutet dies, dass für | DIETER DOHMEN | Die Hochschulen und damit auch die Hochschulfinanzierung haben sich in den letzten 30 bis 35 Jahren erheblich verändert . Dies gilt insbesondere für die Zeit seit 2005 . Eine Zwischenbilanz aus ökonomischer Perspektive . Dr. Dieter Dohmen ist Inhaber und Direktor des FIBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin sowie Geschäftsführender Gesellschafter der RILLL Research Institute on Lifelong Learning gGmbH. AUTOR

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