Forschung & Lehre 11/2023

11|23 Forschung & Lehre einen immer größer werdenden Teil des Budgets Anträge für Drittmittelprojekte bzw. Angebote für Auftragsforschung geschrieben werden müssen. Im Rahmen der Forschungsförderung folgt daraus ferner, dass Gutachterinnen und Gutachter eingesetzt werden müssen, die die Förderanträge bewerten müssen. Dies führt jedoch dazu, dass Professorinnen, Professoren und das wissenschaftliche Personal nicht nur wegen der administrativen und Gremienarbeit in den Hochschulen, sondern auch wegen der (zunehmenden) Gutachterund Kommissionstätigkeit weniger Zeit für ihre Kernaufgaben, Lehre und Forschung, zur Verfügung haben. Zusätzlich brauchen sie Zeit für die Begutachtung von eingereichten Papern in den referred journals, deren Zahl immer größer wird, da es sich quasi keine Zeitschrift mehr leisten kann, nicht zu dieser Kategorie zu gehören. Wie dies dazu führen soll, dass Lehrund Forschungsoutput und insbesondere deren Qualität hoch bleiben – oder gar steigen soll – ist nicht wirklich ersichtlich. Ökonomisch formuliert: Die Transaktionskosten des Hochschulsystems sind massiv angestiegen, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass die dadurch abnehmende Zeit für Forschung und Entwicklung – die für die Lehre aufzuwendende Zeit ist (hypothetisch) durch das Lehrdeputat vorgegeben – zu qualitativ höherwertiger Forschung führt. Auch ist fraglich, wie eine hohe und gegebenenfalls wachsende Zahl an immer wieder neu eingestellten, gerade aus dem Studium kommenden Personen, die mehr oder weniger „bei null“ anfangen und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzen, die Qualität von Lehre und Forschung steigern soll. Normative und analytisch unzureichend unterfütterte Falle Gleichwohl braucht es ein dynamisches, leistungsstarkes und innovationsorientiertes Hochschulsystem – und die Strukturen in den 1990er Jahren waren dem nicht förderlich. Die hohen Transaktionskosten der Umstellung einer leistungsunabhängigen auf eine stark oder gar vollständig leistungsbasierte Finanzierung werden in der normativen ökonomischen Diskussion unzureichend berücksichtigt bzw. meist vernachlässigt. Daher werden die unterstellten beziehungsweise hypothetischen Effizienzgewinne deutlich überschätzt. Überschätzt wird auch die große Relevanz intrinsischer Motivation für berufliches Engagement und Leistungsbereitschaft; entsprechend liegt auch dort der Fokus der ökonomischen Diskussion vor allem auf monetären Faktoren. Mit anderen Worten: Die Hochschulpolitik und mit ihr die Hochschulfinanzierung hat sich in eine normative und analytisch unzureichend unterfütterte Falle begeben. Die Rahmenbedingungen der Finanzierung und die Leistungsfähigkeit der bestehenden Strukturen sollten daher kritisch überprüft, das System in dieser Form hinterfragt und gegebenenfalls auf neue Füße gestellt werden. Diesbetrifft zum einen das Verhältnis zwischen Grundfinanzierung und Drittbeziehungsweise temporären Mitteln und zum anderen die Attraktivität der Hochschulen im Hinblick auf ihre Rolle als Arbeitgeber für wissenschaftliche Beschäftigte sowie Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Beides hängt – zumindest teilweise – zusammen. Probleme bei der Qualitätsmessung von Lehre und Forschung Mit grundsätzlichen Überlegungen beginnend: Die Kernaufgaben der Hochschulen sind Forschung und Lehre, in der Medizin auch die Krankenbehandlung, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen wird – was auch für andere Aspekte gilt. Leistung in Forschung und Lehre kann an quantitativen und qualitativen Kriterien gemessen werden, wobei es für letztere kaum „allgemeingültige“ Indikatoren oder Kriterien gibt. Entsprechend sind auch die Parameter für die Leistungsorientierte Mittelverteilung ganz überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich quantitativ ausgerichtet. Die Nutzung qualitätsorientierter Indikatoren, wie zum Beispiel Publikationen in Spitzenjournalen oder Häufigkeit der Zitationen, ist seltener. Wie auch beim Indikator der Absolventenquote in der Lehre kann man wahrscheinlich trefflich darüber streiten, ob diese Indikatoren geeignet sind oder nicht. Dazu kommt, dass qualitativ hochwertige Forschung oder sehr gute Lehre von Fachrichtung zu Fachrichtung unterschiedlich zu bewerten sein dürfte – und in der Lehre zudem von den Kompetenzen und Motivationen der Studierenden abhängig ist. Deutlich wurde in der Analyse des FiBS zur leistungsorientierten Hochschulfinanzierung, dass die Drittmittelrelevanz und -reagibilität in den Ingenieur- und Naturwissenschaften deutlich stärker ausgeprägt war als in den Geistes- und Kulturwissenschaften, Anzeige KATIV / GETTY IMAGES / ISTOCK Spektrum.de/aktion/gugabo Jetzt 3 Ausgaben von Gehirn Geist testen! Für nur € 15,90 im Miniabo. Wie wir denken, fühlen, handeln: Psychologen und Hirnforscher erklären inGehirn Geist,was in unseren Köpfen vorgeht. Lernen Sie sich von ganz neuen Seiten kennen! Wissen ist Kopfsache Ab 12/2023 3-teilige Serie »Alkohol«

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