Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 836 HOCHSCHULFINANZIERUNG Wie zufrieden sind Sie mit der Hochschulfinanzierung in Deutschland? Einschätzungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern An meiner Universität kenne ich die Details der hiesigen Mittelverteilungen an die Bereiche und Fakultäten, oder auch innerhalb meiner Fakultät kaum. Das zeigt, wie sehr ich zufrieden bin, denn ich muss mich glücklicherweise nicht damit befassen. Als W3-Professor mit sehr guter Berufungszusage habe ich allerdings eine gute Ausstattung. Aber ich versuche auch in anderen Situationen eher dadurch Zufriedenheit zu erreichen, dass ich Anstrengungen darauf verwende, die Mittel, die ich habe, gut einzusetzen, als darauf, zu erkunden, was ich nicht habe. Zur Hochschulfinanzierung in Deutschland lässt mich ein Gedankenexperiment jedoch die Helmholtz-, Fraunhoferund Leibniz-Gesellschaften auflösen und in die Universitäten integrieren, vielleicht sogar auch noch die Max-PlanckInstitute. Vor mir erscheint dann ein rosarotes Bild: paradiesische Betreuungsverhältnisse für Studierende, eine engere Verbindung von Grundlagen- und angewandter Forschung und Lehre, Haldane’s Principle – Politik sollte keinen Einfluss auf Forschungsthemen haben – sind verwirklicht. Statt einer Förderung vom BMBF vorgegebener Themen bestimmt somit der imaginäre Universitätsverbund die Forschungsrichtung selbst, Finanzierungen unnötiger Konkurrenz, z.B. bei Exzellenz-Initiativen entfielen und Verwaltungsmittel würden frei werden. Letztere würden in die Berufsschulen fließen und sie plötzlich derart attraktiv zu machen, dass auch diese lückenlos in mein rosarotes Bild passen würden. Dass die Universitäten zu sehr von Drittmittelfinanzierung abhängen und damit nicht zuletzt die Karrierechancen für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler völlig aus der Balance geraten sind, ist ein zentrales Problem, das zu Recht von vielen Seiten seit langem moniert wird. Eine andere Sache ist in ihrer Dramatik erst in jüngster Zeit richtig sichtbar geworden: der Gender Pay Gap bei den Professuren – umso gravierender, je höher die Besoldungsstufe. Zielvereinbarungen zur Gleichstellung im Rahmen der Hochschulverträge haben sich bisher auf das Zählen von Köpfen und die Erhöhung von Frauenanteilen konzentriert, was natürlich weiterhin unabdingbar ist. Es fällt aber auf, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem die Universitäten endlich Frauen in nennenswerter – aber natürlich immer noch zu niedriger Zahl – auch auf W3-Professuren berufen, die W-Besoldung als nicht-intendierte Konsequenz eine geschlechterdiskriminierende Bezahlung mit sich gebracht hat. Unter der W-Besoldung hat sich ein Gender Pay Gap aufgetan, der im öffentlichen Dienst (und natürlich auch überall sonst) nichts verloren hat. Alle Erklärungsansätze, die über Kindererziehungszeiten oder besonderes Engagement in der – im belohnbaren Leistungsspektrum skandalöserweise ganz unten angesiedelten – Lehre für eine gerechtfertigte Schlechterbezahlung von Frauen argumentieren, sind Rationalisierungsversuche einer ungerechten Praxis. Solang auf ökonomischer Ebene unterminiert wird, was durch Gender- und Diversitypolitik hinsichtlich der Frauenanteile erreicht wurde, müssen die Hochschulverträge diesen Missstand adressieren und geeignete Maßnahmen zu seiner Heilung und zukünftigen Vermeidung festschreiben. In Zeiten von in Bund und Ländern immer knapper werdenden Ressourcen wird die Frage einer sinnvollen leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM), wie sie an Universitätskliniken verbreitet ist, immer wichtiger. Eine solche LOM ist zum Ausgleich historisch gewachsener Finanzierungen und bei Sicherstellung einer ausreichenden Grundfinanzierung grundsätzlich sinnvoll, in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung aber in hohem Maße reformbedürftig. Aufaddierte JournalImpact-Faktoren oder die Summe der eingeworbenen Drittmittel sind ungeeignete Indikatoren, die mit Fehlanreizen verbunden sind. Die LOM sollte ein Anreizsystem bilden, das qualitativ hochwertige und innovative, translationale Forschung und die intrinsische Motivation der Forschenden für exzellente Forschung fördert. Einfache Indikatoren dafür gibt es nicht. Helfen könnten aber indirekte Maße Foto: David Ausserhofer Professorin Anita Traninger, Romanische Philologie, Freie Universität Berlin Foto: Hartmann, JGU Mainz Professor Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz Professor Klaus Reinhardt, Angewandte Zoologie, TU Dresden Foto: Robert Lohse

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