837 11|23 Forschung & Lehre HOCHSCHULFINANZIERUNG wie z.B. Publikationen in Journalen, die sich durch exzellente Editor-Tätigkeiten und einen qualitativ hochwertigen Reviewprozess auszeichnen, „umfassende“ statt „Salamitaktik“-Publikationen, Publikationen auf der Basis präregistrierter Studien, die p-Hacking und spin reduzieren, Studien, die frühere Befunde replizieren oder durch open data die Nachvollziehbarkeit erhöhen, sowie translationale Studien wie Investigator Initiated Trials mit RCT-Studiendesign. Entsprechende Indikatoren müssen durch einen kontinuierlichen Diskussionsprozess innerhalb der Fakultäten und durch Begleitforschung weiterentwickelt und regelmäßig evaluiert werden. Das deutsche Forschungssystem besitzt unzweifelhaft viele sehr gute Eigenschaften, wie den breiten Zugang zu Universitäten und Hochschulen für alle Bevölkerungsgruppen oder das große Spektrum an Drittmitteln, die die komplette Bandbreite von angewandter Forschung (z.B. über spezifische Calls durch Ministerien) bis zur Grundlagenforschung (z.B. DFG Förderung) ermöglichen. Allerdings gibt es wohl nur sehr wenige deutsche Hochschulen, bei denen kein Sanierungsstau der Infrastruktur besteht: Das Spektrum zieht sich von Laboren und Büros, in die es hineintropft, über anstehende Asbestsanierungen bis zu Problemen in Folge maroder Strom- und Wasserleitungen. Nicht zu sprechen vom Wärmemanagement und der Gebäudeisolierung, was in Zeiten von Energieknappheit und Klimakatastrophe ebenfalls ein Faktor ist. Der Grund ist meist nicht mangelnder Einsatz aller Akteurinnen und Akteure. Insbesondere Hochschulleitungen und Fakultäten sind sich des Problems mehr als bewusst. Allerdings stellt die Kombination aus Bürokratie und komplexen Planungsprozessen, der insbesondere im Bereich Bau vorherrschende Personalmangel an vielen Orten und Liegenschaften und eine oft nur schleppend vorangehende Digitalisierung eine enorme Herausforderung dar. Dies führt zu Zeitskalen, die sogar bei jungen Kolleginnen und Kollegen schnell zu Frustration führen. Handlungsfähigkeit bei Bau- und Sanierungsmaßnahmen zu gewährleisten und eine auskömmliche Finanzierung zu erzielen, ist sicherlich ein Wunsch, den wir mit vielen unserer Kolleginnen und Kollegen teilen: Starke Forschung kann nur in einer adäquaten Infrastruktur realisiert werden. Eine Bewertung lässt sich am besten datengestützt geben. Seit 2010 haben die Ausgaben von Bund und Ländern für Hochschulen um mehr als 50 Prozent zugenommen. Dennoch liegt ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt mit 1,1 Prozent unter dem OECD-Durchschnitt von 1,5 Prozent. Die Ausbildung in Deutschland ist trotzdem gut: Die Beschäftigtenquote bei Hochschulabschluss beträgt 89 Prozent (OECD-Mittel: 84 Prozent). Durch die Exzellenz-Initiative wurde wegen ungleichmäßig verteilter Gelder eine ungute Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Universitäten eingeführt. Besser wäre es, leistungsstarke Forschende und Gruppen überproportional zu fördern, egal wo sie forschen. Ein interdisziplinäres Zentrum für Pandemie-Forschung muss dringend aufgebaut werden. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt an den Hochschulen auf der Förderung der Forschung und der Verbesserung der Lehre. Der Abbau von Digitalisierungsdefiziten und Sanierungsstaus wurde vernachlässigt. Er sollte jetzt stärker betrieben werden. Ferner sollte die Schaffung von Dauerstellen neben der Professur in Angriff genommen werden, um dem akademischen Nachwuchs früher eine Absicherung zu geben. Positiv ist, dass durch gezielte Förderprogramme der Anteil der Professorinnen von 16 Prozent in 2007 auf derzeit 25 Prozent gestiegen ist. Trotz mancher Mängel geht es unserem Hochschulwesen im Kontext nicht schlecht. Weit größere Baustellen finden sich in anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Verbesserung von Infrastruktur und Digitalisierung, Bürokratieabbau, Energiewende haben dringenderen Handlungsbedarf: Dafür sind Gelder in erheblicher Größenordnung notwendig. Professorin Doris Segets, Partikeltechnik, Universität Duisburg-Essen Mitglied der Jungen Akademie ProfessorTimo de Wolff, Analysis und Algebra, TU Braunschweig, Mitglied der Jungen Akademie Foto: mauritius images / Pitopia Foto: Arne Weychardt Professor Christian Hesse, Leiter der Abteilung für Mathematische Statistik an der Universität Stuttgart
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