Forschung & Lehre 11|23 838 HOCHSCHULFINANZIERUNG Im Osten nichts Neues Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Hochschulfinanzierung in Japan Es geschieht nicht häufig, dass Nachrichten zur Hochschulfinanzierung Schlagzeilen machen. Am 1. September 2023 passierte aber genau dies in Japan. Die Tageszeitungen thematisierten eine kleine Sensation: Im Wettbewerb um den neu aufgelegten „Universitätsfonds“ schaffte es nur eine einzige Universität in die zweite Runde, und das war entgegen allen Erwartungen nicht die Spitzenuniversität des Landes, die Universität Tokyo. Statt dessen wurde die Universität Tōhoku im Nordosten des Landes ausgewählt. Freilich hat auch diese noch weitere Prüfungen zu überstehen, bevor sie eventuell in den Genuss der zur Kreierung von „international exzellenten Forschungsuniversitäten“ vorgesehenen Gelder kommt. Eine grundlegende Umwälzung der japanischen Hochschullandschaft ist indes von dieser neuesten Maßnahme ohnehin nicht zu erwarten. Hochschullandschaft in Japan Als diese moderne japanische Hochschullandschaft Ende des 19. Jahrhunderts entstand, orientierte man sich an mehreren ausländischen Vorbildern. Aus Deutschland übernahm man das Modell starker staatlic her Volluniversitäten, die Koexistenz staatlicher und leistungsstarker Privatuniversitäten fand man eher in den USA vor. Die Idee schließlich, eine Vielzahl hierarchisch gegliederter staatlicher Hochschultypen zu etablieren, entnahm man dem französischen Vorbild. Auf diese Weise bildete sich bis 1945 ein in privat und staatlich zweigeteiltes und in sich sehr hierarchisches Hochschulwesen heraus mit sieben Kaiserlichen Universitäten an der Spitze. Daneben genossen mehrere sog. Ein-Fach-Universitäten, vor allem in den Bereichen Technik und Medizin, hohe staatliche Zuwendungen. Die in den 47 Präfekturen errichteten Lehrerseminare wurden hingegen erst in den 1940er Jahren als Pädagogische Hochschulen dem Zentralstaat zugeordnet und dadurch auf eine etwas bessere finanzielle Grundlage gestellt. Dieses System wurde während der US-amerikanischen Besatzung nach Kriegsende 1945 mit dem Ziel einer Egalisierung reformiert: Die Pädagogischen Hochschulen fusionierten mit anderen kleineren Hochschulen, so dass es heute in jeder Präfektur nur eine staatliche Volluniversität gibt. Dazu gehören auch die sieben vormaligen Kaiserlichen Universitäten, die zwar rein rechtlich den anderen Volluniversitäten gleichgestellt sind, aber in finanzieller Hinsicht immer noch einen deutlich privilegierten Status innehaben. Einige wenige spezialisierte staatliche Universitäten (für Medizin und Ingenieurwissenschaften) existieren ebenfalls weiterhin. Der private Sektor besteht aus vielen sehr kleinen Hochschulen – insgesamt gibt es in Japan 792 Universitäten, darunter 607 private –, weist aber auch ein Dutzend größerer, darunter zwei besonders forschungsstarke (Waseda und Keiō), auf. Die privaten Universitäten finanzierten sich früher vorrangig durch Studiengebühren, während diese an den staatlichen Universitäten verschwindend gering waren. Seit den 1970er Jahren jedoch erhalten auch private Universitäten staatliche Zuwendungen, so dass heute die Studiengebühren zwischen privat und staatlich nicht mehr so weit auseinander klaffen (im Durchschnitt circa 8 000 versus 5 000 Euro pro Jahr). Ein zweiter grundlegender Wandel in der Hochschulpolitik, der bis heute nachwirkt, ist der Übergang zur Betonung von marktbasiertem Wettbewerb seit den 1980er Jahren. Hintergrund war natürlich der weltweite Trend zu Neoliberalismus und, in Japan vielleicht noch wichtiger, den Ideen des New Public Management (NPM), also die Einführung von privatwirtschaftlichen Verwaltungsprinzipien und -techniken im öffentlichen Sektor. Mit der 2004 inkraftgetretenen Überführung staatlicher Universitäten in unabhängige Körperschaften wurde die Abkehr von der Förderung in der Breite zugunsten wettbewerbsorientierter Spitzenförderung institutionalisiert. Ein sogenannter „Effizienzkoeffizient“ sieht eine jährliche Kürzung der Grundfinanzierung der Universitäten um ein Prozent vor, welche, und dies ist beabsichtigt, nur von einem Teil der staatlichen Universitäten durch die Einwerbung von Drittmitteln ausgeglichen werden kann. Da dieser Wettbewerb jedoch letztendlich vom Staat ausgerufen, organisiert, entschieden und in der Regel auch finanHANS MARTIN KRÄMER | JOHANNES HOCHREUTHER Die japanische Hochschullandschaft ist von einer klaren Hierarchie geprägt . Diese spiegelt sich auch in der Höhe der staatlichen Finanzzuwendungen wider. Doch woran orientiert sich der neu aufgelegte „Universitätsfonds“? Hans Martin Krämer ist Professor für Japanologie und Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Heidelberg. Johannes Hochreuther ist Doktorand am Institut für Japanologie an der Universität Heidelberg. AUTOREN Foto: Vincent B. Lesch
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