839 11|23 Forschung & Lehre HOCHSCHULFINANZIERUNG ziert wird, hat sich die staatliche Kontrolle zugleich nicht vermindert. Insgesamt sind seit der Jahrtausendwende folgende sechs Programme ausgeschrieben worden: • Centers of Excellence für das 21. Jahrhundert (2002) • Global Centers of Excellence (2007) • World Premier International Research Center Initiative (2007) • Global 30 (2008) • Top Global University project (2014) • Designated National Universities (2016) Der bereits aus den Titeln ins Auge stechende exzessive Fokus auf das Erreichen einer globalen Spitzenposition steht exemplarisch für den Minderwertigkeitskomplex japanischer Hochschulpolitiker, mit der Konkurrenz aus den USA, Europa und zunehmend auch Ostasien nicht mithalten zu können. 2013 beschloss das Kabinett, dass binnen zehn Jahren zehn japanische Universitäten unter den Top 100 der Welt sein sollten. Im Shanghai Ranking waren es 2003 noch fünf japanische Universitäten gewesen, zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses noch drei; heute sind es nur noch zwei (Tokyo auf Platz 27 und Kyoto auf Platz 39). In den anderen prominenten Rankings sieht es nicht besser aus. Hierarchisch geprägt Die Orientierung an solchen internationalen Rankings ist in Japan insofern naheliegend, als die nationale Hochschullandschaft von einer ganz klaren Hierarchie geprägt ist. Angeführt wird diese nach wie vor von den ehemaligen Kaiserlichen Universitäten, gefolgt von den Ein-Fach-Universitäten. Hiervon noch einmal mit großem Abstand getrennt finden sich kleinere staatliche Universitäten in ländlichen Gebieten. Diese Hierarchie ist in den Köpfen großer Teile der Bevölkerung fest zementiert. Für Oberschulabgänger existiert ein ganzes Genre von Ratgeberliteratur mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen bezüglich der jeweiligen Annahmechancen. Ein Abschluss an einer Spitzenuniversität eröffnet nämlich erhebliche und teilweise exklusive Karriereperspektiven, explizit auch in der Ministerialbürokratie, wo sich unter den Spitzenbeamten haufenweise Abgänger ebendieser Universitäten finden. Dieses a priori gesellschaftlich zugeschriebene Prestige ist möglicherweise ebenso konstitutiv für die Rangordnung der Universitäten wie es Forschung und Lehre selbst sind. Die Hierarchie spiegelt sich aber auch in der Höhe der staatlichen Finanzzuwendungen wider, und zwar mit einer erstaunlichen Klarheit und Konstanz, der bislang keine Reform etwas anhaben konnte. Wie Tabelle 1 zeigt, gab es seit mittlerweile über 80 Jahren nur minimale Veränderungen in dieser Hackordnung; insbesondere die sieben ehemaligen Kaiserlichen Universitäten finden sich seit 1950 stets unter den Top 10 der reichsten Universitäten in Japan. Das neueste Exzellenzprogramm, der zu Beginn des Artikels genannte Universitätsfonds, hätte eventuell das Potenzial, hieran etwas zu ändern. Zumindest ist die Höhe der Gelder, die die Regierung hier in die Hand nimmt, bemerkenswert. Der Fonds soll eine Gesamthöhe von umgerechnet 64 Milliarden Euro erreichen, von denen dann jährlich drei Prozent, also ca. 1,9 Milliarden Euro ausgeschüttet werden sollen. Zum Vergleich: Die Grundfinanzierung für alle staatlichen Universitäten in Japan beträgt etwa 6,9 Milliarden Euro. Oder, vielleicht noch interessanter als Vergleichszahl: Das Gesamtbudget der reichsten Universität des Landes, der Universität Tokyo, inklusive Drittmitteln und Spenden, liegt derzeit bei ca. 1,8 Milliarden Euro. Obwohl sich das Amt für Wissenschaft und Technologie, das den Fonds für die Regierung verwaltet, noch mit Details über die Zuweisung bedeckt hält, sollen diese gewaltigen jährlichen Summen wohl nur äußerst wenigen Universitäten zugutekommen. Beworben hatten sich in der ersten Runde nur zehn (darunter die Privatuniversität Waseda und sechs der sieben ehemaligen Kaiserlichen Universitäten). Und aktuell noch im Rennen ist, wie eingangs erwähnt, jetzt nur noch eine. Die Universität Tōhoku könnte mit dem neuen Geldsegen auf Platz 1 der bestfinanzierten Universitäten vorrücken, weil sich die traditionelle Stärke dieser Universität (angewandte, kostenintensive Forschung im naturwissenschaftlichen Bereich) mit den aktuellen hochschulpolitischen Trends deckt. Einerseits wäre das ein in der Geschichte der japanischen Universitäten noch nie dagewesener Sturz der Universität Tokyo vom Thron. Andererseits aber wäre auch das aus Sicht der meisten anderen japanischen Hochschulen letztlich nur ein Revirement unter den ohnehin Privilegierten. 1941 1958 2010 2022 Tokyo (1877) 1 1 1 1 Kyoto (1897) 2 2 2 2 saka (1931) 8 6 4 3 T hoku (1907) 3 3 3 4 Ky sh (1911) 4 5 5 5 Tsukuba (1973) 9 14 6 6 Hokkaid (1918) 5 4 7 7 Nagoya (1939) 15 7 8 8 Hiroshima (1949) 7 8 9 9 TokyoTechnik (1929) 6 20 11 10 K be (1949) 14 22 10 11 Okayama (1949) 19 12 13 12 Chiba (1949) 13 11 12 13 Niigata (1949) 12 10 14 14 Kanazawa (1949) 11 9 17 15 Nagasaki (1949) 17 18 16 16 Kagoshima (1949) 26 17 15 17 Tokyo Medizin (1946) 57 15 19 18 Kumamoto (1949) 10 16 18 19 Shinsh (1949) 30 13 20 20 Legende: Rangliste staatlicher Finanzzuwendungen an die staatlichen Universitäten in Japan, 1941–2022; in Klammern: Jahr der Gründung; fettgedruckt: die sieben (ehemaligen) Kaiserlichen Universitäten; Quellenangaben sind auf Nachfrage bei den Autoren erhältlich.
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