Forschung & Lehre 11|23 840 HOCHSCHULEN Hochschulen müssen sichtbarer werden Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz über Herausforderungen der Hochschulen Forschung & Lehre: Herr Professor Rosenthal, wie immer sind die Hochschulen mit vielen Themen in das neue Semester gestartet. Welches wird bei den Hochschulleitungen in den kommenden Monaten ganz oben auf der Agenda stehen? Walter Rosenthal: ChatGPT und generative KI sind in aller Munde und halte ich im kommenden Semester für eines der Topthemen für die Hochschulen – in der Forschung wie in der Lehre. F&L: Was müssen Hochschulleitungen im Umgang mit KI-Anwendungen wie ChatGPT regeln? Walter Rosenthal: Hochschulleitungen müssen sicherstellen, dass KI datenschutzkonform eingesetzt wird. Es dürfen etwa keine personenbezogenen Daten in die Prompts eingegeben werden. Die Verwendung von KI muss bei Seminararbeiten oder Forschungsanträgen zudem immer angegeben werden. Das zählt zur guten wissenschaftlichen Praxis. F&L: Wie bewerten Sie die Entwicklungen in der KI für die Wissenschaft? Walter Rosenthal: Grundsätzlich sehe ich KI als Chance, die wir nutzen sollten, indem wir sie sinnvoll und rechtssicher einsetzen. Wir müssen Prüfungen neu denken und einen noch stärkeren Fokus auf die Einordnung von Erlerntem statt auf die Abfrage von Wissen legen. Auch sollten wir darauf achten, dass die Individualität der Sprache nicht verloren geht – eine Entwicklung, die mit der Digitalisierung gestartet ist und sich durch Programme wie ChatGPT weiter zuspitzen könnte, weil KI nach bestimmten Vorgaben und Mustern funktioniert. Mit dem Hochschulforum Digitalisierung arbeiten wir an einem Kompetenzrahmen zum Einsatz und der Bewertung von KI. Wir rechnen etwa im Herbst nächsten Jahres mit einem ersten Ergebnis F&L: Das ist noch einige Zeit hin und viele Fragen sind vorher zu klären. Sie haben etwa die Einbindung von KI bei Forschungsanträgen angesprochen. Wie kann sichergestellt werden, dass Anträge mit und ohne KI-Unterstützung gleich bewertet werden? Walter Rosenthal: KI sollte ein legitimes Mittel sein, um den oft sehr großen Aufwand in der Antragsstellung zu reduzieren. Ihre Einbindung macht das dahinterstehende Forschungsvorhaben nicht weniger wertvoll. Diese Kultur müssen wir etablieren. F&L: Auch das Publikationswesen ist in Bewegung. Der Zugriff auf Forschungsdaten soll über Open Access weiter verbessert werden. Dabei fließt viel Geld in große Wissenschaftsverlage. Bibliotheken beklagen, dass Geld für Zugänge zu kleinen Wissenschaftsverlagen fehlt und die Diversität im wissenschaftlichen Diskurs leidet. Wie stehen Sie zu der Kritik und wie sollten Hochschulleitungen reagieren? Walter Rosenthal: Ein Ausgangspunkt von DEAL war gerade, dass die Bibliotheksbudgets durch die aggressive Preispolitik der großen Verlage gebunden waren. Die Wahl der Verlage bestimmt die Scientific Community, die in angesehenen Zeitschriften ihres Fachs publizieren will. Da kann es keine Einschränkung seitens der Hochschulleitung geben. Verhandelt werden die Verträge mit Wissenschaftsverlagen über Konsortien wie DEAL und die Bibliotheksverbünde. Bei den Hochschulleitungen liegt nur die Entscheidung, ob sich ihre Hochschule unter den verhandelten Bedingungen beteiligen möchte oder nicht. F&L: Was bleibt, ist die Konzentration auf einzelne Großverlage – nach den zuletzt veröffentlichten Zahlen des DEAL-Konsortiums von 2019 lag ihr Anteil bei zwei Drittel der Publikationen. Wie kann die Diversität der wissenschaftlichen Quellen sichergestellt werden? | IM GESPRÄCH | Seit Mai 2023 ist Walter Rosenthal Präsident der Hochschulrektorenkonferenz . Er will die wissenschaftspolitische Bedeutung der Hochschulen stärken . Zum Start in das Wintersemester 2023/2024 haben wir mit ihm über seine Ziele sowie die Lage und die aktuellenThemen an den Hochschulen gesprochen . Professor Walter Rosenthal ist seit Mai 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Fotos: Studio Nippoldt Berlin
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=