Forschung & Lehre 11/2023

841 11|23 Forschung & Lehre HOCHSCHULEN Walter Rosenthal: DEAL hatte und hat nicht den Auftrag, die Marktanteile der Verlage zu verändern. Es liegt auch nicht im Möglichkeitsbereich von DEAL, die Struktur des Zeitschriftenmarkts zu steuern. In welchen Zeitschriften publiziert wird und welche Titel besonders nachgefragt sind, bestimmen allein die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ziel und Auftrag von DEAL war zum einen, dass die bei den drei großen Verlagen erscheinenden Artikel Open Access publiziert werden und zum anderen, dass sich das Preis-Leistungsverhältnis dort deutlich verbessert. Diese beiden Ziele sind erreicht worden. Die Marktanteile der zwei großen Verlage, mit denen bereits DEAL-Verträge bestehen, sind im Übrigen seit Vertragsschluss etwa gleichgeblieben. Zugenommen hat aber der Einfluss von reinen Open Access-Verlagen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Open-Access-Zug fährt. Kleinere Verlage werden sich dem anpassen müssen. Wir müssen gute Verträge mit den Großverlagen möglichst schnell abschließen, damit diese kleineren Verlage noch stärker in den Fokus rücken. Dazu diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Bibliotheken und Wissenschaft schon länger mit interessierten Verlagen, unter anderem im Forum 13+, das Unterstützungsangebote bereithält. F&L: Was diskutieren Sie konkret? Walter Rosenthal: Ziel der Gespräche ist, die kleineren und mittleren Verlage bei der Transformation im bundesweiten Maßstab zu unterstützen. Da es sich um vertrauliche Gespräche mit dem Ziel des Abschlusses von Lizenzverträgen handelt und dies jeweils individuell mit dem einzelnen Verlag zu klären ist, kann man darüber keine allgemeinen Aussagen machen. Es gibt aber jetzt schon öffentlich einsehbar bundesweite Transformationsverträge mit verschiedenen kleineren Verlagen. F&L: Eine Entscheidung, auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Start in das neue Semester noch warten, ist die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Die HRK unterstützt die geplante 4+2-Reglung. Gemeint ist eine Befristungsoption von vier Jahren nach Promotion, die bei Zusage einer Entfristung um weitere zwei Jahre verlängert werden darf. Die Höchstbefristungsdauer wird von sechs auf vier Jahre reduziert. Die Kritik daran: Es braucht mehr und frühere Entfristungszusagen. Was antworten Sie verärgerten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern? Walter Rosenthal: Die HRK hatte einen eigenen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, der einen einheitlichen 10-Jahres-Qualifikationszeitraum für beide Qualifikationsphasen vorgesehen hat – um den unterschiedlichen Fächerkulturen und den individuellen Karrieren besser gerecht werden zu können. Man muss sich in dieser Diskussion die Dimensionen vor Augen führen: Wir haben 30 000 Promotionen im Jahr und nur etwa 4 000 neu zu besetzende Stellen an allen öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Einrichtungen. Relativ wenige derer, die promovieren und als Postdoc tätig sind, werden demnach an den Hochschulen bleiben; sie werden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch dringend benötigt. Das müssen wir früh in der wissenschaftlichen Karriere klar kommunizieren und durch Beratungsangebote, etwa über die Career Services, absichern, indem wir insbesondere in der Postdoc-Phase Berufsperspektiven jenseits der Wissenschaft aufzeigen und einen möglichen Wechsel in andere Branchen vorbereiten. Bleibt das aus, werden Entscheidungen für einen Wechsel zu weit nach hinten geschoben. Unzufriedenheit entsteht vor allem, wenn man erst im Alter von 40 Jahren realisiert, dass eine wissenschaftliche Karriere nicht weiter möglich ist. F&L: Sie haben vor allem von denjenigen gesprochen, die weggehen. Wer entscheidet, wer bleiben kann, und wann? Walter Rosenthal: Die Kriterien für die Einschätzung der Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern variieren und werden nach den Parametern eines jeweiligen Fachs festgelegt. Die Entscheidungen müssen transparent getroffen und die frühe Selbständigkeit muss gefördert werden. Parallel dazu müssen wir Karrierepfade neben der Professur noch stärker öffnen als bisher. Die HRK ist dazu im Gespräch unter anderem mit der Jungen Akademie. Dauerstellen müssen grundsätzlich offen ausgeschrieben werden, so dass auch externe Bewerberinnen und Bewerber eine Chance haben. F&L: Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hochschule früher verlassen, führt das zu häufigeren Wechseln an den Lehrstühlen. Auch das muss organisiert sein. Walter Rosenthal: Die frühe Weichenstellung muss sein. Sie ist im Sinne der Postdocs, die anderswo noch eine gute Karriere beginnen können. Alle Professorinnen und Professoren und Lehrstuhlinhaber sind gefragt, die Abläufe an ihren Instituten so zu gestalten, dass Wechsel von Personen möglich sind. Die HRK hat schon sehr früh, vor fast zehn Jahren, in ihrem Orientierungsrahmen Foto: Mauritius/Icon Images

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