Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 848 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ling“. Dies erlaubt es, urheberrechtlich geschützte Werke in begrenztem Umfang und zu bestimmten Zwecken ohne Zustimmung des Urhebers zu verwenden. Dies hängt jedoch von den jeweiligen nationalen Gesetzen ab. In Deutschland ist der Grundgedanke von fairem Gebrauch für Data Mining kodifiziert worden in § 44b und § 60d UrhG in Umsetzung von Art. 3 und 4 der europäischen DSM-Richtlinie. Dementsprechend übernehmen KISprachmodelle die Textbausteine nicht wortwörtlich, sondern arbeiten nach Wahrscheinlichkeiten, das heißt, das jeweils nächste Wort eines Satzes wird mittels Wahrscheinlichkeit bestimmt. Dementsprechend ist es sehr unwahrscheinlich, dass ganze Werkteile anderer Urheber und Urheberinnen in das Erzeugnis übernommen werden. Liegt somit nicht nur eine leichte Abwandlung fremder Werke vor, scheidet eine Urheberrechtsverletzung der Nutzer durch die Verwendung des KI-generierten Textes aus. Es ist allerdings infolge der Berechnung mit Wahrscheinlichkeiten möglich, dass die KI falsche Aussagen tätigt, weil es eben keine Inhaltskontrolle gibt, aber auch keine reine Übernahme der Texte stattfindet. Nutzer und Nutzerinnen sollten also im Vorfeld die Funktionsweise der KI verstehen, um der Gefahr des unmarkierten Zitats zu entgehen. Damit sind noch nicht alle Probleme immaterialgüterrechtlicher Natur gelöst (siehe Hoeren, Multimedia und Recht 2023, 81f.). Es fehlt es an der weltweiten Etablierung eines Rechts an der eigenen Stimme, das etwa Synchronsprecher gegen die Übermacht mancher KI-Tools heraufbeschwören. Und es stellt sich die Frage nach einer Umverteilung innerhalb der Verwertungsgesellschaften, die künftig auch dafür zuständig sind, ein faires System der Verteilung aus der KI Nutzung zu entwickeln. Auch gelten Besonderheiten bei der oft anzutreffenden Versuchung für Lehrende, ihrerseits ChatGPT und Co. für die Prüfung und Benotung studentischer Tests einzusetzen. Falls Lehrende KITools für die Bewertung von Leistungen ihrer Studierenden nutzen, sind urheberrechtliche und prüfungsrechtliche Aspekte zu beachten. Zum Urheberrecht: Prüfungsleistungen sind urheberrechtlich geschützt und dürfen mindestens dann nicht in eine KI-Software eingegeben werden, wenn diese die Daten als Trainingsdaten weiterverwendet oder anderweitig genutzt werden. Prüfungsrechtlich ist zu beachten, dass nach Art. 22 der europäischen Datenschutzgrundverordnung eine Bewertung durch den Prüfer selbst und nicht durch eine Software vorzunehmen ist. KI-Tools können demzufolge bei der Bewertung nur als Hilfsmittel dienen. Reformbedarf in der Lehre Bei allem ist auf jeden Fall eines wichtig: Transparenz in den Prüfungen. Lehrende und Lernende sollten genau wissen, welche Teile eines Textes von Menschenhand und welche von virtueller Hand erstellt worden sind. Die markierte Übernahme KI-generierten Textes wird in der Regel formal keinen Verstoß gegen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis darstellen. Ob der unmarkierte Einsatz als gute wissenschaftliche Praxis gelten kann, richtet sich danach, wie gute wissenschaftliche Praxis im Einzelfall definiert ist. Falls diese vorschreibt, dass jegliche verwendeten Hilfsmittel und Quellen anzugeben sind, wäre die unmarkierte Übernahme als Verstoß bzw. Täuschungsversuch zu werten. Falls dagegen in einem Fachbereich eine bestimmte Nutzung von KI-Tools als akzeptabel gilt (zum Beispiel durch entsprechende Eigenständigkeitserklärungen), so wird kein wissenschaftliches Fehlverhalten anzunehmen sein. Deshalb sollte man die Prüfungsordnungen an Hochschulen an die neue digitale Wirklichkeit anpassen und von den Studierenden verlangen, dass sie ihre Tools offenlegen. Daran knüpft sich allerdings nicht ein Verbot entsprechender Produkte, sondern eine kritische Sichtung des Materials und ein erwachsener, reifer Umgang mit den neuen Tools. Dieser Text wurde unter Einbeziehung von ChatGPT, Bard und Deepwrite erstellt. KLEINE FÄCHERKUNDE Was erforschen Sie? Am BCDSS erforschen wir „starke asymmetrische Abhängigkeit“ von der Vorgeschichte bis heute in einem globalen Kontext. Wir untersuchen die Normen und Praktiken, durch die Menschen Beziehungen des Zwangs, der Ungleichheit und Ausbeutung herstellen. Besonders wichtig ist uns, historische und lokale Kontexte genauer zu verstehen. Was fasziniert Sie daran? Durch unsere interdisziplinäre, kollaborative Forschung wird deutlich, dass soziale Strukturen der Vergangenheit, die sich auf den ersten Blick ähneln, dennoch unterschiedlich funktioniert haben. Dies wirft Fragen auf, zum Beispiel wie wir moderne analytische Kategorien wie „Geschlecht“, „Klasse“ oder „Race“ auf die Vergangenheit anwenden können. Für wen ist das wichtig? Für uns alle. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch zu jeder Zeit in asymmetrische Abhängigkeiten eingebunden war und ist. Man braucht nur einen Blick auf aktuelle Konflikte oder politische Fragen zu Verteilung von Reichtum, Geschlechterungleichheit, Klimagerechtigkeit oder Rechte indigener Völker zu werfen, um zu verstehen, dass eine historische Perspektive auf die Entstehung und das Funktionieren von Abhängigkeiten einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der modernen Welt bietet. Beantwortet unter Mithilfe von Dr. James Harland. Professor Dr. Julia Hillner ist Professorin für Dependency and Slavery Studies (Imperiales Rom, Spätantike) am Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) der Universität Bonn.

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