Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 850 MEDI Z IN Immer wieder fragen, wer wir selbst sind Herausforderungen und Hoffnungender aktuellen Krebsforschung Forschung & Lehre: Herr Professor Frezza, wie kamen Sie zur Alternsforschung? Christian Frezza: Schon während meines Chemiestudiums in Italien habe ich mich insbesondere dafür interessiert, was bei Krankheiten im Körper der Menschen passiert. Ich bin dann durch Zufall in einem Labor gelandet, in dem ich mich mit der Rolle von Mitochondrien in der menschlichen Zelle bei Krankheiten beschäftigt habe. Dann habe ich mich in Glasgow und in Cambridge schließlich mit Krebsstoffwechsel beschäftigt. F&L: Sie waren in Glasgow und in Cambridge. Wie waren Ihren Erfahrungen dort mit der wissenschaftlichen Community? Christian Frezza: In Glasgow habe ich mich nie als Ausländer gefühlt. Ich hatte dort das Glück, in einem der innovationsstärksten Forschungslabore in der Krebsforschung zu sein. In Cambridge gab es Begegnungen mit höchstrangigen Forscherinnen und Forschern mit der daraus resultierenden Atmosphäre. Leider hatten wir nach dem Brexit in Großbritannien zunehmend das Gefühl, Fremde im Land zu sein. F&L: Nun sind Sie zwei Jahre in Deutschland. Wie fühlt es sich hier an? Christian Frezza: Die Lebensqualität in Deutschland ist sehr hoch, und wir haben hier großartige Möglichkeiten zu forschen, deshalb sind wir sehr zufrieden. Wir mussten uns allerdings an die bürokratischen Besonderheiten in Deutschland erst gewöhnen. Sprachschwierigkeiten kamen dann noch dazu. Leider konnte ich aufgrund der Herausforderungen hier im Labor kaum Zeit finden, die deutsche Sprache zu lernen. F&L: Wie beurteilen Sie die Qualität der medizinischen Ausbildung in Deutschland? Christian Frezza: Es gibt keinen Zweifel an der hohen Qualität der medizinischen Ausbildung in Deutschland. Die Forschung im Bereich Biochemie ist in Deutschland von herausragender Qualität, aber auch die Lehre an den Hochschulen ist großartig. Das hat Tradition, denn in der Krebsforschung sind die Deutschen Pioniere. Zu nennen wäre hier etwa der Biochemiker Otto Warburg, der vor hundert Jahren in Berlin angefangen hat, zu den chemischen Grundlagen der Entstehung von Krebs zu forschen. Sein Schüler Hans Krebs erforschte biochemische Prozesse in lebenden Zellen und entdeckte drei wichtige Schlüsselzyklen biochemischer Stoffwechselreaktionen. F&L: Was erforschen Sie heute als Humboldt-Professor mit Ihrem Team in Köln? Christian Frezza: Eine Deregulierung des Stoffwechsels ist ein bekanntes Kennzeichen altersbedingter Krankheiten, einschließlich Krebs. Wir gehen hier neuen Fragen an der Schnittstelle von Stoffwechsel, Krebs, Immunität und Gewebedegeneration nach, zum Beispiel welche Rolle die Mitochondrien bei der zellulären Homöostase bei Krebs und Altersstörungen spielen. Außerdem wollen wir herausfinden, inwieweit die molekularen Reaktionen auf eine Funktionsstörung der Mitochondrien zur Krankheitsentstehung beitragen können. Zudem arbeiten wir an der Entwicklung neuer analytischer und rechnerischer Ansätze zur Integration mehrdimensionaler Datensätze zur Untersuchung der Rolle des Stoffwechsels bei altersbedingten Erkrankungen. F&L: Wie sehr sind Sie mit Ihrem Ansatz der Erforschung von Krebs auf Gegenwind gestoßen? Christian Frezza: Über Jahrzehnte galt und gilt auch heute noch Krebs als eine genetisch bedingte Erkrankung. Die Forschung beschäftigte sich aus dieser Sicht sehr stark mit den Veränderungen der DNA, die Krebs entstehen lassen. Alles, was nicht mit dieser Veränderung zu tun hatte, schien nicht relevant zu sein. Aus diesem Grund war ich eine gewisse Zeit mit meiner Forschung etwas abseits. DesI IM GESPRÄCH I Der Stoffwechselforscher Christian Frezza sucht nachWegen, wie die Nährstoffverarbeitung in Krebszellen so gestört werden kann, dass diese nicht mehr wachsen und absterben . Als Professor of Metabolomics in Aging verfolgt er in Köln neue interdisziplinäre Ansätze . Christian Frezzaist seit 2021 Alexander von Humboldt Professor of Metabolomics in Aging, an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln.

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