Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 856 B I LDUNG Wissenschaft ohne Innovation? Orientierungen für KiTa, Schule und Universität im Hinblick auf zukünftige Forschung Eine Studie hätte die an Wissenschaft interessierte Öffentlichkeit mit dem Befund aufschrecken müssen, dass in „einem Zeitraum von mehr als 60 Jahren die Zahl an bahnbrechenden Erkenntnissen und Patenten in zahlreichen Disziplinen gesunken“ sei. In Zahlen: „In den Sozialwissenschaften beispielsweise seien zwischen 1945 und 2010 fast 92 Prozent weniger bahnbrechende Studien erschienen. Bei den Patenten liegt dieser Wert etwa im Bereich der Medizin bei 91,5 Prozent, im Fall der Computer- und Kommunikationstechnik bei fast 79 Prozent.“ (https://www.spektrum.de/news/studie-kaum-noch-fortschritt-in-der-forschung/2095782) Ist das so? Ist angesichts einer vernetzten Welt und sich immer neu stellender Aufgaben nicht eher zu erwarten, dass sich lediglich die Forschungszentren verlagern werden: Von der Alten und Neuen Welt in die bisher eher weniger lauten Regionen? Nicht die Forschung wäre dann müde geworden – nur die Forschung an den reichen Standorten scheint müde geworden zu sein – vielleicht auch deshalb, weil Wissen und Wissenschaft öffentlich als illegitime Volker Ladenthin ist Professor (em.) für Historische und Systematische Erziehungswissenschaften an der Universität Bonn. AUTOR Herrschaft diskreditiert oder politisch funktionalisiert werden. Will man Europa oder sogar Deutschland künftig als Kraftzentrum in der globalen Forschung erhalten, muss es also zu grundlegenden Veränderungen im Bereich Wissenschaft kommen. Aus pädagogischer Sicht lassen sich einige Zielvorgaben formulieren – wobei es nicht um einzelne Maßnahmen geht, sondern um prinzipielle Orientierungen.Thematisiert werden drei Bereiche: Vorschule, Schule und Universität. Die Prinzipien lauten: • Kindgemäße Förderung in vorschulischen Institutionen. • Konzentration des Gymnasiums auf Propädeutik. • Universität als Ort von Forschung und Lehre – nicht als Ort des Lernens. Trennung von Förderung und Betreuung im Vorschulbereich Die Vermischung der Zieldimensionen von KiTas, einerseits Eltern von der Kindererziehung zu entlasten, um sie so für den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu haben, sowie Kinder aus prekären familialen Situationen zu holen und andererseits Ich-Entwicklung und Schulfähigkeit zu gewährleisten, löst zwar aktuell Arbeitsmarkt- und soziale Probleme – trägt aber nicht zur Verbesserung vorschulischer Qualifikationen bei, sondern erdrückt sie. Das inzwischen wissenschaftsorientiert qualifizierte Personal sollte sich folglich vorrangig der umfassenden Förderung der kindlichen Entwicklungsprozesse widmen können. Im Vordergrund stehen sollten erstens die gut vorbereitete Ermöglichung freien, das heißt selbstwirksamen Spielens und zweitens die Vorbereitung auf die nächste Lebensphase, die Schule. Raum und Zeit müssen da sein, damit die Kinder eigene Interessen entdecken und durchsetzen können, Kooperationspartner finden, neue Spiele aushecken und bis zum Ende durchführen: Kinder können so lernen, Verantwortung für den nächsten überschaubaren Zeitabschnitt zu übernehmen und sich weder als Mittelpunkt der Welt noch als passiver Teil einer Gruppe zu verstehen, sondern bei konkreten Vorhaben selbstgesetzte Ziele zu erreichen. Gerahmt sein muss derlei Aufforderung zur wirksamen Selbsttätigkeit von aufgabenorientierten Arbeiten seitens der Erziehenden: Sie achten darauf, dass eine sinnbesetzte Vertrautheit mit dem Alltäglichen und den Ressourcen der überlieferten Kultur entsteht. Die Vorbereitung auf Schule betrifft in erster Linie Sozialverhalten, Selbststeuerung und Lernbereitschaft. Das Spiel in der KiTa muss also ernsthaft geplant sein. Die sozialen Probleme, Betreuung und Schutz, brauchen ein ganz anderes Konzept, um zumindest aufgefangen zu werden. Erstens die Einsicht, dass pädagogische Institutionen nie kompensieren können, was Elternhäuser versäumen. Zweitens folgt hieraus eine stärkere Begleitung von Eltern, die Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Drittens brauchen Kinder aus problematischen sozialen Situationen eine spezifische Förderung, zumeist in der Sprachfähigkeit, die in die Nähe einer Therapie kommt, die gar nicht für alle Kinder notwendig ist. KiTas müssen differenzieren, wen sie wie fördern wollen. Schule: Abschied von der Sozialpädagogik Diese Differenzierung zwischen Betreuen und Bilden muss auch das Schulsystem strukturieren: Das bedeutet, dass | VOLKER LADENTHIN | Zur Bewältigung der vielfältigen Probleme für den Menschen sind aus der Forschung generierte Erkenntnisse und Innovationen unerlässlich . Doch wie können sie befördert werden? Antworten aus pädagogischer Sicht .

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