Forschung & Lehre 11/2023

Forschung & Lehre 11|23 870 KARRIEREPRAXIS Neben technischen, handwerklichen oder analytischen Fertigkeiten muss man im heutigen Berufsleben vor allem auch soziale Fähigkeiten mitbringen, um im Beruf erfolgreich sein zu können. Kooperationsfähigkeit ist eine dieser Fähigkeiten, und zwar eine zentrale, weil immer mehr Produktionsprozesse sehr arbeitsteilig organisiert sind und darum nur durch gutes Teamwork erfolgreich sein können. Das gilt auch in der Wissenschaft, wo immer mehr Forschungsprojekte in Gruppen durchgeführt und publiziert werden. Selbst in Fachbereichen, die im letzten Jahrhundert traditionell noch sehr wenige Autoren hatten (häufig nur einen), nimmt die Anzahl an Koautoren beständig zu. Beispielsweise stieg laut einer Studie von Katharina Rath und Klaus Wohlrabe die durchschnittliche Anzahl der Autoren in volkswirtschaftlichen Forschungspapieren von ca. 1,5 im Jahr 1991 auf 2,5 im Jahr 2020, was ungefähr einer 60-prozentigen Steigerung in 30 Jahren entspricht. Warum Kooperation wichtig ist Was Kooperation in Gruppen bedeutet und warum sie für den Erfolg von Zusammenarbeit so wichtig ist, lässt sich sehr treffend anhand einer alten chinesischen Parabel veranschaulichen: „Zwei Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass bei ihrer Hochzeit viele Menschen mitfeiern sollten. Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie. Sie beschlossen, ein großes Fest mit vielen Gästen zu feiern. Um dies zu ermöglichen, baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass stehen, in das sie ihren Wein gießen könnten; und so sollte jeder die Gaben des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein. Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass es Wasser war. Versteinert saßen oder standen sie da, als ihnen bewusst wurde, dass jeder gedacht hatte: Die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wird niemand merken oder schmecken: Nun aber wussten sie, dass jeder so gedacht hatte. Jeder von ihnen hatte gedacht: Heute will ich mal auf Kosten anderer feiern.“ Erfolgreiches Miteinander kann nur gelingen, wenn jeder und jede im Team einen Beitrag dazu leistet. Fußballteams sind nachweislich erfolgreicher, wenn jeder Spieler für den anderen rennt, also zusätzliche Laufwege in Kauf nimmt, um Fehler anderer auszubügeln. Forscherteams bringen ihre Projekte eher zu einem guten Ende, wenn sich alle an der Projektarbeit beteiligen und nicht darauf vertrauen, dass ein anderer schon die mühsamen Arbeitsschritte übernehmen wird. Unternehmenskooperationen sind erfolgversprechender, wenn Forschungsund Entwicklungsanstrengungen miteinander koordiniert werden. Arbeitsteams funktionieren besser, wenn wichtige Informationen geteilt und rasch weitergegeben werden. Das Problem besteht darin, dass es in diesen und vielen anderen Situationen Anreize gibt, die eigenen Anstrengungen etwas zurückzunehmen und zu hoffen, dass die anderen sich anstrengen. Menschen, die so denken und handeln, werden häufig als Trittbrettfahrer bezeichnet. Wenn dann in einem Team alle – oder fast alle – sich so verhalten, dann kann das Gemeinwohl nicht gedeihen bzw. die Gruppe nicht erfolgreich sein. Das wirft die Frage auf, wie Kooperation in Gruppen gelingen kann, wie vermieden werden kann, dass Teammitglieder nur Wasser statt Wein beitragen. Konditionale Kooperation Ganz viele Menschen kooperieren konditional. Das bedeutet zum einen, sie sind bereit zu kooperieren, wenn sie sehen, dass andere auch kooperieren. Dieses Verhaltensmuster hat damit zu tun, dass das Verhalten anderer häufig als sozial angemessenes Verhalten interpretiert wird. Wenn also viele andere Menschen kooperieren, dann wird das so wahrgenommen, als ob in diesen GrupWandel vorleben Wie gelingt Teamwork in der Wissenschaft? | MATTHIAS SUTTER | Erfolg in der Wissenschaft hängt ganz entscheidend von sozialen Fähigkeiten ab, insbesondere Kooperationsbereitschaft, da immer mehr Forschungsprojekte in Teams durchgeführt werden . Wie aber kann Kooperation gut gelingen? Zentrale Einsichten aus der Verhaltensökonomie . Matthias Sutter ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn und Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an den Universitäten Köln und Innsbruck. AUTOREN Foto: ECONtribute »Das Problem besteht darin, dass es in diesen und vielen anderen Situationen Anreize gibt, die eigenen Anstrengungen etwas zurückzunehmen.«

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