Forschung & Lehre 12|23 916 WETTBEWERB Profession beziehen, eine aktive Rolle ein. Diese besteht trotz aller organisationaler Strategiebildung vor allem darin, individuelle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Beteiligung an den Ausschreibungen zu gewinnen, denn ohne deren Mitmachbereitschaft und als reine Organisationsentwicklungsprojekte können derartige Wettbewerbe nicht erfolgreich bestritten werden. Das Verhältnis zwischen Individuum und Organisation muss dabei nicht reibungslos sein, denn die organisationale Strategiefähigkeit, die sich im Anschub von Verbundprojekten niederschlägt, kann mit individuell motivierten Aktivitäten in Forschung und Lehre konfligieren, denn schließlich ist Zeit letztlich die vermutlich knappste Ressource in Hochschulen und Wissenschaft, über deren Disposition zu entscheiden ist. In diesem Spannungsverhältnis tun sich grundlegende und ungelöste Fragen der internen Governance auf. Man sieht zudem, dass bei der ExIn und dem QPL die formal in der Theorie klar unterschiedenen Governancemodi „Wettbewerb“ und „Hierarchie“ empirisch eng verflochten sind. Ebenso stehen sich „Wettbewerb“ und „Kooperation“ hier nicht antithetisch gegenüber, sondern Wettbewerb erzeugt in beiden Ausschreibungswettbewerben Kooperationsnotwendigkeiten innerhalb der Universität, aber auch mit anderen. Unterschiede der beiden Wettbewerbe Damit beginnen auch die Differenzen zwischen beiden Wettbewerben. In die ExIn ist die Hochschulleitung insgesamt sehr viel stärker involviert als in den QPL, der jenseits der Wissenschaft vor allem von Seiten der Verwaltung und dem für die Lehre zuständigen Mitglied der Hochschulleitung betreut wird. Durch die ExIn und andere auf die Forschung bezogenen Strategiebildungsprozesse an Universitäten entstehen vielfach sogenannte „Küchenkabinette“ aus besonders forschungsstarken Professorinnen und Professoren, die gemeinsam mit der Hochschulleitung die strategische Forschungsentwicklung der Universität vorantreiben. Solche informellen Strukturen, die jenseits der klassischen Governancestrukturen in Universitäten entstehen, finden sich in aller Regel nicht, wenn es um den QPL und lehrbezogene Strategiebildungsprozesse geht. Interessanterweise sind beide Wettbewerbe hochschulintern wie -extern weitgehend entkoppelt. Knappe Wettbewerbsgüter in den beiden Kernfunktionen von Universitäten führen nicht zu einer gemeinsamen Strategiebildung in Forschung und Lehre und schlagen sich nicht in gemeinsamen Veränderungen der internen Governance nieder. Ohnehin variiert die hochschulinterne Bedeutung beider Wettbewerbe erheblich. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Drittmittelwettbewerb im Bereich der Forschung ein Reputationswettbewerb ist, der – im Unterschied zu dem im Bereich der Lehre – für individuelle, organisationale und staatliche Akteure gleichermaßen, sofern erfolgreich, von hoher Attraktivität ist. Die unterschiedlichen Akteure werden vor allem über das knappe Gut „sichtbare Forschungsreputation“ miteinander verbunden, denn nur dieses sichert das knappe Gut „Ressourcen“. Demgegenüber sind die Verbindungen zwischen den Akteuren, die über das knappe Gut „sichtbare Lehrreputation“ miteinander verbunden sind, eher lose und situativ, auch wenn die damit verbundenen Ressourcen durchaus beachtlich sind. Erfolg beim QPL als Lehrwettbewerb setzt auch nicht voraus, als lehrstarke Universitäten bereits in der Vergangenheit erfolgreich gewesen zu sein. Auch hierin besteht ein Unterschied zur ExIn und zur Bedeutung vorangegangener Erfolge, insbesondere im Wettbewerb um DFG-Drittmittel, wobei gerade vernetzte Programme wie Sonderforschungsbereiche in Interviews mit Hochschulleitungen als „Goldstandard“ bezeichnet wurden, die das mit der ExIn verbundene Versprechen auf qualitativ hochwertige Forschung absichern. Dass Universitäten als organisationale Akteure sich nahezu ausschließlich über die ExIn und nicht über den QPL positionieren, findet seine Entsprechung auch auf der Ebene individueller und staatlicher Akteure. Reputationsgewinne individueller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die prominente Beteiligung an der ExIn, zum Beispiel als Clustersprecherin bzw. -sprecher, finden keine Entsprechung beim QPL. Auch die Rolle der Landesministerien variiert sehr stark in den Ausschreibungswettbewerben. Während sie beim QPL nur von untergeordneter Bedeutung sind, nutzen sie im Exzellenz-Wettbewerb ein breites Handlungsrepertoire – Anregung und Beratung, mehr oder weniger sanfter Druck, eigene Wettbewerbe, Zielvereinbarungen –, um „ihre“ Universitäten möglichst erfolgreich zu positionieren. Die Folgen des multiplen Wettbewerbs, sei es mit Blick auf staatlich initiierte Wettbewerbe, sei es darüber hinaus, für die interne Governance von Universitäten sind erheblich und wurden zum Teil in diesem Beitrag angesprochen. Darüber hinaus stellen sich grundlegende Fragen, die aus der Multiplizierung des Wettbewerbs resultieren und die über die interne Governance hinausgehen und das Gesamtsystem betreffen: Steigert oder schwächt der multiple Wettbewerb die Leistungsfähigkeit der einzelnen Elemente des Hochschul- und Wissenschaftssystems sowie des Systems insgesamt, und wie verträgt sich die mit dem multiplen Wettbewerb verbundeneEffizienz- und Strategieorientierung mit dem Bildungsauftrag von Universitäten, der gerade nicht in Effizienz und Strategie aufgeht? Weiterführende Literatur: Krücken, Georg (2021). Multiple Competitions in Higher Education: A Conceptual Approach. In: Innovation: Organization & Management, Vol. 23, No. 2: 163-181. Krücken, Georg; Bünstorf, Guido; Cantner, Uwe; Frost, Jetta; Grebel, Thomas; Hamann, Julian; Hottenrott, Hanna; Kosmützky, Anna; Meier, Frank; Schimank, Uwe; Serrano Velarde, Kathia (2021): Multipler Wettbewerb im Hochschulsystem – Interdisziplinäre Perspektiven und wissenschaftspolitische Implikationen. In: Das Hochschulwesen, 69(3+4): 90-95. Kosmützky, Anna; Krücken, Georg (2023): Governing Research: New Forms of Competition and Cooperation in German Academia. In: Kerstin Sahlin & Ulla Eriksson-Zetterquist (eds.), Restoring Collegiality: Revitalizing Faculty Authority in Universities. Research in the Sociology of Organizations, Vol. 86: 31-57, Bingley: Emerald Publishing Limited. Derartige Fragen werden gegenwärtig in der DFG-geförderten Forschungsgruppe „Multipler Wettbewerb im Hochschulsystem (FOR 5234) untersucht. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag anlässlich der Trilateralen Konferenz der Wissenschaftsverbände Deutschlands (DHV), Österreichs (UVP) und der Schweiz (VSH) in Wien zum Thema „20 Jahre Universitätsgesetz: Governance – Gestern – Heute – Morgen“ am 12. Juni 2023. »Die hochschulinterne Bedeutung der beiden Wettbewerbe „Exzellenzinitiative“ und „Qualitätspakt Lehre“ variiert erheblich.«
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