Forschung & Lehre 12|23 926 BESOLDUNG Gender-Pay-Gap an Universitäten Der Einfluss des Verhandlungsgeschicks Ist der Gender-Pay-Gap an Universitäten eine Folge von Lohndiskriminierung, von unterschiedlichem Verhandlungsgeschick von Professorinnen und Professoren oder der unterschiedlichen Verteilung der Geschlechter auf die Fächer? Ein Vergleich von zwei großen und forschungsstarken Universitäten in Deutschland und der Schweiz zeigt, dass die unterschiedliche geschlechtsspezifische Verhandlungsbereitschaft und -stärke eine wichtige Rolle spielt. Dafür ausschlaggebend sind unterschiedliche Lohnsysteme, welche in verschiedenem Ausmaß auf verhandlungsrelevante Bedingungen abstellen: Die Universität D in Deutschland wendet das W-Besoldungs-System an, die Universität S in der Schweiz ein Fixlohnsystem mit Beförderungsklassen und -stufen. An der Universität D fällt die geschlechtsspezifische Lohnlücke deutlich höher aus als an der Universität S. Was sind die Gründe? Im W-Besoldungssystem sind die Grundgehälter altersunabhängig und können in den Besoldungsgruppen W2 und W3 (unbefristete, planmäßige Professuren) durch individuell vereinbarte Leistungsbezüge erhöht werden. Die Leistungsbezüge sind das Ergebnis von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, von Verhandlungen über besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Weiterbildung und Nachwuchsförderung sowie über Funktionszulagen (welche hier außer Betracht bleiben). Dadurch sind im Einzelfall deutlich höhere Gehälter möglich als in der früheren Bundesbesoldungsordnung C. Damit enthält die WLeistungsbesoldung zahlreiche Elemente eines Pay-for-Performance-Systems, bei welchem verhandlungsrelevante, messund vergleichbare Kriterien ausschlaggebend sind. ImFixlohnsystem mit Beförderungsklassen und -stufensind die Grundgehälter altersabhängig und vergleichsweise hoch. Die Eingliederung in Klassen und Stufen orientiert sich hauptsächlich am akademischen Alter und der vorangegangenen Position. Berücksichtigt wird auch das vorangegangene Gehalt. Das System sieht eine regelmäßige interne Beförderung innerhalb der Lohnklassen und Lohnstufen vor. Zeitabstände und Höhe des Klassen- und Stufenanstiegs sind jedoch stark standardisiert. Bei externen Rufen und Bleibeverhandlungen können Beförderungen erfolgen. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Fixlohnsystem mit Altersanstieg. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es in beiden Systemen einen Gender-Pay-Gap gibt, nämlich 6,62 Prozent bei der W-Leistungsbesoldung und 4,45 Prozent im Fixlohnsystem. Handelt es sich dabei um Lohndiskriminierung? Selbst-Selektion oder Lohndiskriminierung? Von Lohndiskriminierung spricht man üblicherweise, wenn gleiche oder gleichwertige Arbeit ungleich bezahlt wird. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Professorinnen und Professoren mehrheitlich in unterschiedlichen Fachgebieten mit unterschiedlichen Gehaltsniveaus tätig sind. Frauen wählen bei uns überdurchschnittlich Fächer, die in erster Linie ihren Neigungen und Interessen und erst in der zweiten Linie den Verdienstchancen folgen. Bei Männern ist es umgekehrt. Dies führt zu einer Selbst-Selektion bei der Fächerwahl an den Universitäten. In der Folge sind Professoren häufiger als Professorinnen in Fächern tätig, welche höhere Outside-Options auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt haben, die auch innerhalb der Wissenschaft zu höheren Löhnen führen. An beiden Universitäten ist dieser Effekt ausgeprägt: Zwei Drittel aller weiblichen Professorinnen konzentrieren sich auf die Fakultäten mit dem höchsten Frauenanteil, vorwiegend in den Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaf- | JETTA FROST | MARGIT OSTERLOH | KATJA ROST | Zu der Frage, ob der Gender-Pay-Gap auch eine Sache des Verhandlungsgeschicks ist, existieren bislang wenige Auswertungen . Zur weiteren Erhellung tragen die Ergebnisse eines Vergleichs unterschiedlicher Lohnsysteme in zwei großen und forschungsstarken Universitäten in Deutschland und der Schweiz bei . Jetta Frost ist Professorin für Organisation und Unternehmensführung und Vizepräsidentin an der Universität Hamburg. Margit Osterlohist Professorin (em.) an der Universität Zürich und Forschungsdirektorin von CREMA (Center for Research in Economics, Management and the Arts). KatjaRost istOrdinaria für Soziologie und Privatdozentin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich. AUTOREN Foto: John Flury
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