Forschung & Lehre 12/2023

934 BUCHT I PPS Forschung & Lehre 12|23 Lesezeit HeikePaul hat den Lehrstuhl für Amerikanistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne. Frank Bascombe ist wieder da – in Richard Fords neuestem traurigschönen Roman Valentinstag (2023), dem Finale des fünfteiligen Romanzyklus, der mit Der Sportreporter (1986) begann. Im von Trump regierten Amerika begibt er sich mit seinem totkranken Sohn Paul auf einen letzten Road-Trip zum Mount Rushmore mit seinen monumentalen Präsidentenköpfen. Die Geschichte der Reise durch den Mittleren Westen ist gekennzeichnet von alltäglichen Dramen und skurrilen Begegnungen, verhandelt gleichzeitig aber existenzielle Fragen von Glück, Abschied und Tod. Richard Ford, Valentinstag (engl. Original: Be Mine), Hanser Berlin 2023. Stefan Kühl ist Professor für Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld. Öffentliche Bücherschränke geben überraschend präzise Auskunft über die Sozialstruktur eines Stadtviertels. Bei diesem Buch handelt es sich um einen Zufallsfund in einem Bücherschrank in einem gutbürgerlichen Viertel in München. Der vor einigen Jahren verstorbene Soziologe Horst Bosetzky webt in seinem kurzen Buch über den Selbstmord eines Studenten an einer Hochschule für die Beamtenausbildung immer wieder kleine lesenswerte Beobachtungen über Verwaltungen in den frühen achtziger Jahren ein. Bosetzky ist sicherlich kein überragender Stilist, aber vermutlich hat er mit diesem Buch den allerersten Campus-Roman geschrieben, der in einer Fachhochschule spielt. Horst Bosetzky alias ky (1983): Aus der Traum. Roman. Verlag Bärenklau Exklusiv, eBook 2023. Foto: Miriam Klengel Birgitt Röttger-Rössler ist Seniorprofessorin am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin. Ma, ich schreibe, um Dich zu erreichen – auch wenn jedes Wort auf dem Papier ein Wort weiter weg ist von dort wo Du bist (11). Mit diesem Satz beginnt der amerikanisch-vietnamesische Lyriker Ocean Vuong seinen autofiktionalen Debütroman. In Form eines Briefes an die Mutter, die diesen als Analphabetin niemals wird lesen können, setzt Ocean Vuong in kurzen Szenen kaleidoskopartig sein Leben bzw. das des Hauptprotagonisten zusammen. Mich berühren an diesem in einer eindrucksvollen Sprache geschriebenen Roman vor allem zwei Aspekte: zum einen die klare Aufdeckung des Zusammenwirkens von Klasse, Herkunft, Sprache, Geschlecht, Alter, Sexualität, Wohnort und in diesem Fall, den Spuren eines durch koloniale Ordnungen geprägten Krieges. Ocean Vuong zeigt, wie stark diese Kategorien Leben determinieren und wie unentrinnbar sie (meist) sind. Zum anderen bewegen mich die starken Bilder, mit denen Vuong diese nicht nur von Krieg und Flucht, sondern auch von einer komplexen Sprachlosigkeit geprägte Familie beschreibt. Um den Titel dieses wunderbaren Buches zu verstehen, muss es gelesen werden. Ocean Vuong: On Earth We’re Briefly Gorgeous. 2019 Penguin. Deutsch: Auf Erden sind wir kurz grandios. Übersetzt von Anne-Kristin Mittag. Carl Hanser 2019.

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