Forschung & Lehre 12/2023

935 BUCHT I PPS 12|23 Forschung & Lehre Foto: Pascal Buenning Angelika Nußberger ist Direktorin der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz an der Universität zu Köln. Kaum ein Buch schildert die Perspektive „der anderen“ auf die großen Umbrüche Anfang der 90er Jahre in Osteuropa so eindringlich wie die autobiographische Schrift der 1979 in Tirana geborenen Professorin für Politische Philosophie an der London School of Economics Lea Ypi. Sie erlebt den Sturz des kommunistischen Regimes und die Öffnung für Europa als Kind mit 12 Jahren und lässt uns Anteil haben an ihrem Lernen und Erkennen. Auf diese Weise entlarvt sie nicht nur die propagandistischen Lügen der Vergangenheit, sondern auch die naiven Illusionen einer demokratischen Zukunft am scheinbaren „Ende der Geschichte“. Lea Ypi, Frei. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte, Suhrkamp 2021. Foto: Hatmann/JGU Mainz Klaus Lieb ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz sowie Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung Mainz. Katharina Zweig, Informatikprofessorin an der RPTU Kaiserslautern, versteht es brillant, die komplexen Hintergründe und Grenzen in den Anwendungen künstlicher Intelligenz anhand spannender Beispiele zu beleuchten, von h-Index und ChatGPT über automatisierte medizinische Diagnosen bis hin zu Bilderkennungssystemen. Das Buch macht nachdenklich, gibt Denkanstöße und weckt den eigenen Spieltrieb. Katharina Zweig zeigt, dass auch höchst fundierte Bestseller im Sachbuchbereich unterhaltsam und mit persönlichem Gewinn zu lesen sein können. Dem Buch wünsche ich viele Leserinnen undLeser. Katharina Zweig: Die KI war‘s! Von absurd bis tödlich: Die Tücken der künstlichen Intelligenz. Heyne-Verlag 2023. Michael Sommer ist Professor für Alte Geschichte am Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Ein Buchtipp? Vom Althistoriker erwartet man wohl einen griechischen Klassiker oder einen deutschen Philosophen (Nietzsche?), wenigstens aber ein gehaltvolles Werk der Gegenwartsliteratur. Doch in Zeiten wie diesen brauchen wir Trainingseinheiten für die eingerosteten Lachmuskeln und eine gehörige Portion Subversion. Mein Favorit in dieser Domäne ist „Leave it to Psmith“ von P.G. Wodehouse, 100 Jahre alt und taufrisch. Warum schafft es heute kein Autor mehr, so geschliffen-ironisch-respektlos zu formulieren? We‘re in the soup! Pelhem G. Wodehouse: Leave it to Psmith. Penguin Verlag 2003. Martin Keßler ist Schlegel-Professor für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Was Eckermann für Goethe war, war Boswell für Samuel Johnson. 1773 begleitete er den gefeierten Gelehrten, der in seinem Wörterbuch erklärt hatte, Hafer sei in England die Nahrung von Pferden und in Schottland die des Volkes, ausgerechnet nach Schottland. Zuerst veröffentlichte Johnson sein Reisetagebuch. Nach dessen Tod folgten Boswells Aufzeichnungen. Aus ihnen erfährt man, dass Johnson als Kind durchaus Haferbrei gegessen habe und das ihm zugeschriebene Wort, die „schönsten Stunden des Lebens seien diejenigen, die man des Morgens wach im Bett liegend verbringe“, als eigenen Ausspruch für möglich hielt. Immerhin! James Boswell: Dr. Samuel Johnson. Leben und Meinungen. Mit dem Tagebuch einer Reise nach den Hebriden. Herausgegeben aus dem Englischen von Fritz Güttinger, Diogenes Verlag 2008.

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