Forschung & Lehre 12/2023

Forschung & Lehre 12|23 940 KARRIEREPRAXIS Die Berufungsentscheidung soll nach dem Prinzip der Bestenauslese allein aufgrund von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerberinnen und Bewerber getroffen werden. Letzteren steht insoweit ein Recht auf eine fehlerfreie Entscheidung über die eigene Bewerbung zu. Dazu gehört es, dass die Auswahlentscheidung frei von unsachlichen Erwägungen erfolgt und bereits bei der Wahl der zur Entscheidung befugten Personen (Kommissionsmitglieder, Gutachterinnen/Gutachter) Interessenkollisionen ausgeschlossen werden. An den Hochschulen existieren regelmäßig eigene Berufungsleitfäden, Berufungsordnungen, Richtlinien oder Handreichungen, die sich ausdrücklich (auch) mit der Frage der Befangenheit von Kommissionsmitgliedern oder Gutachterinnen und Gutachtern auseinandersetzen und diese – im Detail durchaus unterschiedlich – beantworten. Daneben ergeben sich aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht (§§ 20, 21 VwVfG) Anhaltspunkte für die Bewertung einer möglichen Befangenheit von Mitwirkenden im Verfahren. Eine Befangenheit liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen aus Sicht eines vernünftigen Beteiligten des Verfahrens die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache parteiisch, voreingenommen oder befangen entscheiden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.06.2022, Az.: 5 ME4/22). Voreingenommen durch Verbundenheit Vor diesem Hintergrund ist eine Beteiligung ausgeschlossen, wenn Kommissionsmitglieder oder Gutachterinnen und Gutachter in besonderer persönlicher, fachlicher oder auch finanzieller Weise mit Bewerberinnen oder Bewerbern im Verfahren verbunden sind. Im Regelfall bedarf es einer Entscheidung der Berufungskommission über den Ausschluss unter konkreter Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Dabei haben sich in der Rechtsprechung eine Reihe von Fallgruppen herausgebildet, innerhalb derer von Befangenheit ausgegangen wird. So kann etwa eine Befangenheit durch eine vorangehende, enge wissenschaftliche Zusammenarbeit begründet werden, sowohl im „Lehrer-Schüler-Verhältnis“ als auch aufgrund gemeinschaftlicher Forschungsprojekte. Eine Befangenheit ist danach beispielsweise regelmäßig anzunehmen, wenn ein Promotions- oder Habilitationsprojekt der Bewerberin bzw. des Bewerbers bei der betroffenen Person durchgeführt wurde. Ebenso kann die Unparteilichkeit eines Mitglieds der Berufungskommission in Zweifel gezogen werden, wenn sich aus dem beruflichen Zusammenwirken eine besondere kollegiale Nähe sowie freundschaftliche Kontakte entwickeln. Ein gelegentliches berufliches Zusammenwirken oder nur gelegentliche private Kontakte werden dagegen nicht für ausreichend erachtet, die Unparteilichkeit von Verfahrensbeteiligten in Zweifel zu ziehen. Private und fachliche Nähe Konsequenterweise hielt das OVG Lüneburg in einer jüngeren Entscheidung allein die Zugehörigkeit zum selben Institut von Bewerber und Berufungskommissionsvorsitzender nicht für ausreichend, eine Befangenheit der Vorsitzenden zu begründen (Beschluss vom 10.06.2022, Az.: 5 ME 4/22). Erst die Tatsache, dass sich die Vorsitzende Jahre zuvor aufgrund angeblicher Lehrdefizite für einen Institutsausschluss des damaligen Kollegen eingesetzt hatte, ließ laut Gericht an ihrer Unvoreingenommenheit zweifeln. In einem zuletzt vom OVG Bautzen (Beschluss vom 22.03.2023, Az.: 2 B 22/23) zu entscheidenden Fall sah das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit eines am Verfahren beteiligten Gutachters allein aufgrund der Tatsache, dass dieser in einem thematisch verwandten Bereich wie der unterlegene Bewerber tätig war, mit diesem teilweise dieselben Veranstaltungen besucht hatte und Mitglied derselben Gremien bzw. Forschungsgruppen gewesenwar. Wirtschaftliche Interessen Auch die konkrete Möglichkeit, dass durch die Berufungsentscheidung wirtschaftliche Interessen der am Berufungsverfahren mitwirkenden Personen betroffen sein können, kann zu einer Befangenheit führen. Auch hier gilt es bereits den „bösen Schein“ einer Interessenverflechtung zu vermeiden. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Bestehen eines unmittelbaren finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Beteiligten. In einer jüngeren Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Beschluss vom 9.12.2022, Az.: VG 26 L 110/22) hatte die unterlegene Bewerberin damit argumentiert, dass der Vorsitzende der Berufungskommission und ein weiteres Mitglied befangen gewesen seien, weil die vom Ausgang der Berufungsverhandlung abhängige AusBefangenheit in Berufungsverfahren Ein Überblick und aktuelle Entscheidungen | SVEN HENDRICKS | Die Stellenbesetzung in Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen folgt dem Prinzip der sogenannten Bestenauslese .Welche Herausforderungen erwachsen daraus? Dr. Sven Hendricks, Rechtsanwalt, ist Justitiar im Deutschen Hochschulverband und DHV-Landesgeschäftsführer Hamburg. AUTOR Foto: DHV Lars Bergengruen

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