Forschung & Lehre 04/2024

Forschung & Lehre 4|24 254 VERANTWORTUNG Instrumente der Selbstverwaltung der Wissenschaften Den Empfehlungen von DFG und Leopoldina folgend sind deutschlandweit mit Unterstützung des Gemeinsamen Ausschusses inzwischen über 100 meist lokale KEFs beziehungsweise Beauftragte etabliert worden, die über 120 Forschungseinrichtungen, -organisationen und Fachgesellschaften durch ethische Beratung zur Seite stehen (Eine Liste der Kommissionen ist abrufbar unter www.sicher heitsrelevante-forschung. org/ansprechpersonen). Liegt im Zusammenhang mit einem sicherheitsrelevanten Forschungsprojekt ein unmittelbares Missbrauchs- und erhebliches Schädigungspotenzial vor, helfen die KEFs bei der interdisziplinären Abwägung von Nutzen und möglichen Risiken. Sie können mit ihren Empfehlungen dazu beitragen, Risiken zu minimieren, aber auch risikobehaftete Forschungsprojekte zu legitimieren. Es bedarf dafür zunächst einer entsprechenden Sensibilisierung Forschender beziehungsweise von Forschungseinrichtungen, damit derartige Risiken rechtzeitig erkannt und in einem solchen Beratungsverfahren bewertet werden. Die DFG bittet Antragstellende seit einigen Jahren, bei der Beantragung von Fördermitteln ihr Projekt bezüglich sicherheitsrelevanter Risiken zu prüfen. Im Falle antizipierter unmittelbarer erheblicher Missbrauchsrisiken wird um eine Stellungnahme zum Risiko-Nutzen-Verhältnis und zu geplanten Maßnahmen der Risikominimierung gebeten. Falls aufgrund hochschulinterner Regelungen eine KEF oder eine vergleichbare Stelle im Vorfeld zu beteiligen ist, soll dem Antrag eine Stellungnahme der KEF beigefügt werden. Entsprechende Projekte werden zudem in den wissenschaftlichen Gremien der DFG, wie dem Hauptausschuss, mit besonderer Aufmerksamkeit diskutiert. Auch die Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis beziehen sich auf die Notwendigkeit entsprechender rechtlicher und ethischer Rahmenbedingungen. Zudem hat die DFG ihre Empfehlungen hinsichtlich des Umgangs mit Risken bei internationalen Forschungskooperation kürzlich konkretisiert. Umfragen des Gemeinsamen Ausschusses zufolge wurden zwischen 2016 und 2023 in den KEFs mindestens 119 potenziell besorgniserregende sicherheitsrelevante Fälle beraten. Dies zeigt, dass solche Arbeiten seltene Ausnahmen im akademischen Forschungsbetrieb darstellen. In den größtenteils letztlich befürworteten Forschungsvorhaben wurde kein unmittelbares Missbrauchspotenzial gesehen, da es sich nach Einschätzung der KEFs um anwendungsferne beziehungsweise reine Grundlagenforschung handelte, das Schadenpotenzial als gering eingestuft und ein klarer zivilgesellschaftlicher Nutzen erwartet wurde oder weil die Maßnahmen der Risikominimierung und ethischen Begleitung als ausreichend erachtet wurden. Für 30 der beratenen Vorhaben wurden laut Umfragen Auflagen empfohlen, beispielweise eine regelmäßige Berichterstattung an die KEF im Laufe weiterer Experimente, oder es wurde von erwartungsgemäß besonders risikobehafteten Teilexperimenten abgeraten, deren möglicher Mehrwert unklar war. Teilweise wurden Aufklärungsmaßnahmen für beteiligte Forschende, der Abschluss von Kooperationsverträgen mit Zivilnutzungs- beziehungsweise Veröffentlichungsklauseln oder die Selbstverpflichtung beteiligter Forschender zur kontinuierlichen Überprüfung ihrer Projektergebnisse hinsichtlich Missbrauchsrisiken empfohlen. Von mindestens acht Vorhaben rieten die Kommissionen gänzlich ab. Hier konnten zum Beispiel beteiligte Forschende keinen potenziellen zivilen Nutzen der geplanten Arbeiten darlegen, die Projekte waren nicht mit den Leitsätzen der jeweiligen Einrichtung unter Nachhaltigkeits- beziehungsweise Friedensgesichtspunkten vereinbar oder es wurde die Verbreitung verfassungsfeindlicher Informationen bei der Durchführung eines Projekts befürchtet. Mitunter spielten auch die Assoziation von Kooperationspartnern oder Geldgebenden mit Rüstungsunternehmen, militärische Verflechtungen mit autoritären Regimen oder mögliche Geheimhaltungspflichten die entscheidende Rolle für ablehnende Beratungsvoten. Die Erhebungen des Gemeinsamen Ausschusses deckten allerdings auch auf, dass die Arbeit der KEFs vielfach noch keinen institutionell fest verankerten und kontinuierlichen Prozess darstellt. Es fehlt an Weiterbildungsmaßnahmen für neue Mitglieder der KEFs und an Ressourcen sowie Mechanismen, die die Sichtbarkeit und Akzeptanz der Verfahrensweisen mit sicherheitsrelevanter Forschung festigen und verhindern, dass gewonnene Expertise verloren geht. Ethischer Kompetenzerwerb Um für sicherheitsrelevante ethische Aspekte der Forschung frühzeitig zu sensibilisieren und fachbezogene Bewertungskompetenz aufzubauen, ist es notwendig, dass Hochschulen die jeweiligen Bereichsethiken in allen relevanten Studiengängen verankern. Die Kenntnis grundlegender ethischer Normen wissenschaftlichen Arbeitens ist die Voraussetzung für eine gute wissenschaftliche Praxis. Daher sollte die Vermittlung grundlegender ethischer Erkenntnis- und Bewertungsmethoden Bestandteil aller Studiengänge sein. Ein qualifizierter und nachhaltiger ethischer Kompetenzerwerb kann am besten mit entsprechenden kontinuierlichen und obligatorischen Lehrveranstaltungen gewährleistet werden. Dabei können anschauliche fachbezogene sowie fächerübergreifende Fallbeispiele für Missbrauchsszenarien die Aufmerksamkeit Studierender schärfen und deren Bewertungsprozesse methodisch fundiert anleiten. »Die DFG bittet Antragstellende, bei der Beantragung von Fördermitteln ihr Projekt bezüglich sicherheitsrelevanter Risiken zu prüfen.« Führungs-, Karriere und Persönlichkeitscoaching Thomas Römer www.team-roemer.de/res in Wissenschaft, Forschung undLehre Führungscoaching Karriereplanung Thomas Römer www.team-roemer.de/res Anzeige »Die Arbeit der KEFs stellt vielfach noch keinen institutionell fest verankerten und kontinuierlichen Prozess dar.«

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