4|24 Forschung & Lehre 259 VERANTWORTUNG ihnen zurechenbare Fehlverhalten verantwortlich sind, trägt eine Forschungseinrichtung also Verantwortung für Strukturen, die das Risiko von Fehlverhalten angemessen reduzieren. Dazu dienen insbesondere Praktiken wirksamer Sanktionierung. Notwendig wäre aber auch eine systematische Prävention, die eine unverzichtbare Kultur integrer Wissenschaft fördert, in der Fehlverhalten möglichst vermieden wird. Wissenschaftliches Fehlverhalten ist für wissenschaftliches Personal einer Hochschule zugleich ein (beamtenrechtliches) Dienstvergehen beziehungsweise eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten. Hierauf kann mit einem Disziplinarverfahren oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen (von der Abmahnung bis zur außerordentlichen Kündigung) im Rahmen der Verhältnismäßigkeit reagiert werden. Wird bestimmtes Fehlverhalten persönlich vorgeworfen, etwa durch eine disziplinarrechtliche Sanktion, setzt dies Schuld voraus, also die „materielle Vorwerfbarkeit“ des Handelns, an das der Vorwurf geknüpft wird. Menschenwürde und Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 GG) liegt die Idee vom Menschen „als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten“ (BVerfG, Urt. v. 19.03.13 – 2 BvR 2628 u.a., BVerfGE 133, 168, 197; Beschl. v. 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14, BVerfGE 140, 317, 343). Daher dürfen nur (in einem rechtsstaatlichen Verfahren erwiesene) Verletzungen solcher Regeln vorgeworfen werden, an denen sich Adressatinnen und Adressaten zumutbar eigenverantwortlich orientieren konnten. Die Höhe der Schuld – also letztlich die Schwere des Vorwurfs – begrenzt auch die Bemessung des Sanktionsrahmens. Wissenschaftliche Autorschaft ist Übernahme von Verantwortung für wissenschaftliche Redlichkeit und Verlässlichkeit. Forschende sind stets selbst für ihr eigenes wissenschaftliches Fehlverhalten verantwortlich (OVG NordrheinWestfalen, Beschl. v. 24.3.2015 – 19 A 1111/12, Rn. 17). So entlastet beispielsweise eine schlechte Betreuung nicht vom Vorwurf, in einer Dissertation plagiiert oder gefälschte Daten verwendet zu haben. Mitunter stellt sich wissenschaftsrechtlich das Problem, dass Forschungsarbeiten arbeitsteilig in einem Team entstehen, das gemeinsame Verantwortung für eine Veröffentlichung trägt. Hat jemand Fehler gemacht, verantworten dies grundsätzlich alle kraft gemeinsamer Autorschaft, selbst wenn die Mitautorinnen schuldlos der Schludrigkeit oder den Täuschungen eines Mitautors aufgesessen sind. Solches schuldloses Fehlverhalten kann zwar nicht disziplinarisch subjektiv vorgeworfen, aber (etwa durch eine Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens) als objektiver Befund gegen das Autorenteam festgestellt werden. Administrative Folgemaßnahmen Persönliche Schuld ist nicht erforderlich bei Eingriffen zur Gefahrenabwehr oder administrativen Organisationsmaßnahmen. Diese machen Fehlverhalten nicht zum persönlichen Vorwurf, sondern ziehen nur angemessene Konsequenzen zum Schutz der institutionellen Integrität oder der Rechte Dritter. Möglich sind beispielsweise Maßnahmen im Rahmen der Ressourcenverteilung oder der Infrastrukturnutzung, um einen geordneten und für alle Hochschulangehörigen sicheren Dienstbetrieb in Forschung und Lehre zu gewährleisten. Etwa kann die Ausbeutung von Nachwuchs dadurch abgestellt werden, dass Stellen entzogen und anderen Einheiten zugewiesen werden. Wenn an einem Lehrstuhl schwerwiegendes oder systematisches Fehlverhalten auftritt, können Sachmittel gestrichen werden, die immer knapp sind und besser dort eingesetzt werden, wo Wissenschaft redlich erfolgt. Rechtlich bestehen immer wieder Unsicherheiten, wie weit organisationsrechtliche Maßnahmen gehen dürfen, wie exemplarisch ein vom Verwaltungsgericht Köln entschiedener Fall zeigt. Einem Professor waren systematische Übergriffe und sexuelle Belästigungen vor allem gegenüber Studentinnen vorgeworfen worden. Der Dekan traf daher Anordnungen, um vulnerable Personen zu schützen, vor allem Beschränkungen der Lehre in Präsenz. Das Gericht hielt dies in einer problematischen Entscheidung für rechtswidrig, weil die gesetzliche Generalklausel, eine ordnungsgemäße Lehre sicherzustellen, keine so weitreichenden Eingriffe in die Lehrfreiheit zulasse. Vielmehr sei die Universität darauf verwiesen, den Hochschullehrer disziplinarrechtlich zur Verantwortung zu ziehen und insoweit ggf. zu suspendieren (Beschl. v. 27.5.2022 – 6 L 687/22). Auch der Gesetzgeber trägt mithin Verantwortung, passgenaue Ermächtigungen zu schaffen, um die wissenschaftliche Integrität zu schützen. »Wissenschaftliche Autorschaft ist Übernahme von Verantwortung für wissenschaftliche Redlichkeit und Verlässlichkeit.« Foto: mauritius images / Alamy
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