Forschung & Lehre 04/2024

264 Forschung & Lehre 4|24 NOBELPREIS Forschung & Lehre: Herr Professor Krausz, was hat sich für Sie verändert, seit Sie den Nobelpreis für Physik erhaltenhaben? Ferenc Krausz: Ich habe sehr viel weniger Zeit für das, was ich eigentlich am allerliebsten tue, nämlich mich mit Wissenschaft zu beschäftigen. Ich muss eine neue Balance in meinem Leben finden, wie ich mit den vielen neuen Herausforderungen, die aus aller Welt auf mich einstürzen, umgehen kann, so dass ich mich immer noch der Wissenschaft widmenkann. F&L: Sie sprechen von den Herausforderungen, die auf Sie einstürzen. Was meinen Sie damit? Ferenc Krausz: In meinem Fall wurde der Preis den drei Ländern Ungarn, Österreich und Deutschland zugesprochen. Dementsprechend kommt die übliche Lawine an Anfragen parallel aus drei Ländern. Diesen zu begegnen erfordert einen enormen Zeitaufwand. Ich habe also, so gut ich konnte, zwei Monate lang nichts anderes getan, als auf Medienanfragen zu reagieren. Dieses Jahr im Januar wurde mir klar, dass ich den wichtigsten Medien zu den entscheidenden Fragen, die sich stellen, alles gesagt habe und dass ich jetzt gerne wieder Ruhe haben möchte. Jetzt folgen aber die Vorträge in den USA, in Asien und in noch anderen Orten. F&L: Wie entstand Ihre Begeisterung, sich mit Quantenoptik zu beschäftigen? Ferenc Krausz: Ich hatte in der Grundschule einen ganz hervorragenden Physiklehrer, der damals mein Interesse an der Physik weckte. In meinem damaligen Umfeld versuchten aber viele, mir die Physik als Studienfach auszureden mit dem Argument, davon könne man nicht leben. Daher habe ich mich zunächst für ein Studium der Elektrotechnik entschieden. Da mir in diesem Fach zu wenig theoretische Physik vorkam, habe ich es parallel mitstudiert. F&L: Was genau hat dieser Physiklehrer getan, dass er Sie so begeistern konnte? Ferenc Krausz: Er hat die Zusammenhänge fantastisch erklärt und mit großer Begeisterung Experimente durchgeführt. Das Wichtigste aber war, dass er mir gezeigt hat, dass nicht die Formel dazu da ist, sie in Einklang mit den physikalischen Erscheinungen zu bringen, sondern umgekehrt, die Formeln Mittel zum Zweck sind, die Phänomene in der Natur zu erklären. Die Grundidee der Physik, die einfachsten Wege zu finden, möglichst viele Phänomene möglichst einheitlich zu beschreiben und zu verstehen, das hat mich sehr fasziniert. F&L: Sie sind mit Pierre Agostini (Ohio State University, USA) und Anne L’Huillier (Universität Lund, Schweden) ausgezeichnet worden. Es geht um die „Attosekundenphysik“. Was ist eine Attosekunde? Ferenc Krausz: Es gibt verschiedene Ansätze, um deutlich zu machen, wie kurz diese Zeiteinheit ist. Die heutige Elektronik arbeitet auf der NanosekundenZeitskala. Eine Attosekunde wäre eine Nano-Nanosekunde, also noch einmal um denselben Faktor kürzer als eine Nanosekunde. Man kann auch sagen, dass sich eine Attosekunde zur Sekunde verhält wie die Sekunde zum Alter des Universums. F&L: Für welche Anwendungen ist die „Attosekundenphysik“ interessant? Ferenc Krausz: Wir bewegen uns in diesem Feld nach wie vor sehr in der Grundlagenforschung. Anwendungen stehen noch immer in weiter Ferne. Zunächst ging es und geht es darum, zu verstehen, wie Elektronen sich in der Materie bewegen (zum Beispiel in menschlichen Körpern oder in technischen Geräten). Diese Bewegungen dieser Teilchen sind in unserem biologischen und technischen Leben für alles zuständig. Wir haben Geräte, in denen elektrischer Strom | IM GESPRÄCH | Mit der Verleihung der Nobelpreise im Dezember jeden Jahres werden die ausgewählten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit höchsten Ehren bedacht . Wie blickt man nach der Auszeichnung auf das eigene Leben? Was hat sich verändert und wie geht es in der Forschung weiter? Ein Gespräch . Ferenc Krausz ist Direktor des MaxPlanck-Instituts für Quantenoptik und hat 2023 den Physik-Nobelpreis erhalten. Foto: Stephan Höck / LMU „Ganz tief nachdenken“ Das Leben als Forscher nach der Nobelpreisverleihung

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