268 Forschung & Lehre 4|24 WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION Forschung & Lehre: Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trauen sich aus Angst vor persönlichen Angriffen nicht mehr, sich öffentlich zu äußern. Dabei ist es gerade aktuell wichtig, Falschnachrichten wissenschaftlich fundierte Einordnungen entgegenzusetzen. Wie beurteilen Sie die Situation? Julia Wandt: Wer an einer Hochschule kommuniziert, muss ausreichend geschützt werden. Das gilt für Einzelpersonen ebenso wie für die Hochschule als Institution, vertreten durch die Kommunikationsabteilung. Angriffe auf Forschende und wissenschaftliche Einrichtungen können die Wissenschaftsfreiheit einschränken, wenn sie dazu führen, dass Personen sich aus der Kommunikation zurückziehen oder gar ihre Forschungsrichtung ändern. Dass es zu Angriffen kommt, können wir häufig nicht verhindern, aber wir können uns darauf vorbereiten, um bei Angriffenbesser und gelassener reagieren zu können. Die meisten Hochschulen und natürlich auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen bieten dafür inzwischen Trainings, Weiterbildungen und Beratungsangebote für Wissenschaftskommunikation an. F&L: Wie sollte die Wissenschaftskommunikation an den Hochschulen am besten organisiert sein und wie können sich Kommunikationsabteilung und Forschende ergänzen? Julia Wandt: Von einer starren Festlegung, wer was kommuniziert, halte ich nichts. Schließlich stehen Kommunikationsabteilung und Forschende gemeinsam für die Institution. Die Kommunikation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den Kommunikationsabteilungen ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen sollte daher Hand in Hand gehen. Eine Person, die zu einem bestimmten Thema forscht, ist fachlich die Expertin beziehungsweise der Experte für das eigene Thema. Die Kommunikationsabteilung sollte aus diesem Grund in engem Austausch mit den Forschenden stehen, um Inhalte korrekt und passend auszugestalten. Parallel können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler persönlich über das Thema sprechen, schreiben und anderweitig kommunizieren. Kommunikationsabteilungen können unterstützen und zeitlich entlasten, indem sie etwa Bild-, Video- und Textmaterial erstellen und aufbereiten. Im Idealfall wird auf verschiedenen Kanälen und zu verschiedenen Zeitpunkten kommuniziert, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Dabei ist wichtig, dass sich Personen mit einer bestimmten Kommunikationssituation sicher und wohl fühlen. Letztendlich sollte die Entscheidung, ob man beispielsweise in einer Talkshow auftreten möchte, der Person selbst überlassen werden. F&L: Im Juli 2023 haben Sie den „Scicomm-Support“ mitinitiiert, eine externe Anlaufstelle, die Forschende bei Angriffen und unsachlicher Kritik kontaktieren können. Wer meldet sich bei Ihnen? Julia Wandt: Wir nennen zum aktuellen Zeitpunkt bewusst noch keine konkreten Zahlen und Trends. Zum einen gibt es die Anlaufstelle erst seit gut acht Monaten; wir möchten die Entwicklung noch beobachten. Zum anderen wollen wirBetroffenen, die uns kontaktieren, einen Schutzraum bieten. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir täglich bis zu zwei bis drei Anrufe erhalten. Das sind mehr als ich persönlich erwartet hatte. Uns kontaktieren Forschende aus allen Bereichen sowie Beschäftigte aus Kommunikationsabteilungen. Forschende in frühen Karrierephasen wollen dabei auch sicherstellen, dass falsche Behauptungen ihre Karriere nicht negativ beeinflussen. Geschlechtsspezifische Unterschiede sehen wir bislang keine. Interessant ist, dass uns Forschende zu Themen mit hohen gesellschaftlichen Implikationen wie dem Klimawandel oder Gender und | IM GESPRÄCH | Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden bereits für ihre Forschung angegriffen . Damit sie gut und geschützt kommunizieren können, professionalisieren Hochschulen ihre Wissenschaftskommunikation . Eine Beratungsstelle unterstützt Forschende seit dem vergangenen Jahr bei akuten Angriffen . Julia Wandt verantwortet im Rektorat der Universität Freiburg den Geschäftsbereich Wissenschaftskommunikation und Strategie. Sie ist Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation. Foto: Sandra Meyndt „Wir müssen dranbleiben .“ Forschende zwischen faktenbasierter Kommunikation und persönlichen Angriffen
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