270 Forschung & Lehre 4|24 WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION F&L: Bei Diskussionen in den sozialen Medien werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Meinungen oft miteinander vermischt. Was bedeutet das für die Wissenschaftskommunikation? Julia Wandt: Die Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen darf nicht mit Meinungsäußerungen verwechselt werden. Wissenschaft ist keine Meinung. Hierzu hat etwa die Humboldt-Universität zu Berlin erst kürzlich einen „professionsethischen Leitfaden“ verabschiedet. Personen und bestimmte politische oder gesellschaftliche Gruppierungen, die die Kommunikation über Wissenschaft im Sinn ihrer politischen oder gesellschaftlichen Interessen beeinflussen möchten, sollten verstehen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auf Evidenz und Fakten beruhen und nichts mit persönlichen Meinungen zu tun haben. F&L: Das Angebot von hochschuleigener Wissenschaftskommunikation wird immer größer. Worauf sollten sich die Hochschulen konzentrieren? Julia Wandt: Der Fokus von Wissenschaftskommunikation sollte auf der Qualität liegen. Vor diesem Hintergrund bedeutet Professionalisierung in der Wissenschaftskommunikation auch zu überlegen, welche bestehenden Formate man reduzieren und andere dafür optimieren kann. Das geschieht auch bereits. Wissenschaftliche Einrichtungen betreiben seltener „Erfolgskommunikation“ als früher und legen mehr Wert auf die Einordnung wissenschaftlicher Erkenntnisse, Transparenz und die Einordnung möglicher Befangenheiten. Beschrieben am Beispiel der medizinischen Forschung können dies Fragen sein wie: Wer hat die Forschung finanziert? Warum kann die Forschung nicht direkt in die Anwendung kommen und wovon hängt das ab? Was wissen wir noch nicht und welche Konsequenzen hat das? Die Verantwortung der Wissenschaftskommunikation für das Vertrauen der Allgemeinheit in die Wissenschaft ist enorm. Wenn einzelne Einrichtungen dieser Verantwortung nicht gerecht werden, schadet das nicht nur ihrer eigenen Reputation, sondern dem Vertrauen in die Wissenschaft insgesamt. Das kann dazu führen, dass bei bestimmten Personen und gesellschaftlichen Gruppen das Vertrauen in die Wissenschaft sinkt, was äußerst gefährlich ist. F&L: Wie gelingt die Balance, Komplexität zu reduzieren, ohne zu einfache Antworten für komplexe Sachverhalte zu liefern? Julia Wandt: Das gelingt über professionelle Wissenschaftskommunikation. Es braucht Personen mit einer entsprechenden Ausbildung, die diese Übersetzung schaffen, damit wissenschaftliche Zusammenhänge auch für Laien verständlich sind, ohne dabei Fakten falsch darzustellen. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen verstanden werden, damit beispielsweise politische Entscheidungsträger auf dieser Basis gute Entscheidungen treffenkönnen. F&L: Wie bewerten Sie die Gefahr, dass Forschungsbereiche, die für Außenstehende besonders schwer greifbar sind, weniger Aufmerksamkeit bekommen als andere? Julia Wandt: Ich habe nicht den Eindruck, dass bestimmte wissenschaftliche Themen nicht kommuniziert werden, weil sie schwieriger zu vermitteln sind und dadurch ein Zusammenhang zum „Wenigerbeachten“ entsteht. Die Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation hat dazu beigetragen, dass Kommunikationsabteilungen sehr gut über die Themen in ihrer Institution informiert sind und entscheiden können, was wie kommuniziert werden kann. Dabei geht viel stärker als noch vor ein paar Jahren auch darum, sich gerade an die „weniger offensichtlichen Themen“ zu machen und zu überlegen, wie insbesondere komplexe oder abstrakte Themen und damit die Vielfalt von Forschung einer interessierten Öffentlichkeit dargelegt werden können. F&L: Die Ampelkoalition will die Wissenschaftskommunikation „systematisch und umfassend ausbauen“. Der Antrag befand sich gerade in der ersten Lesung, die Diskussion im entsprechenden Ausschuss und im Plenum steht aus. Welche Erwartungen an das Vorhaben haben Sie und worauf kommt es an, damit es einen deutlichen Effekt hat? Julia Wandt: Entscheidend ist, die im Antrag formulierten Vorhaben zu konkreten Handlungsziele weiterzuentwickeln und die dafür im Antrag geforderte Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen zu konkretisieren. Kommunikationsbereiche an wissenschaftlichen Einrichtungen müssen angemessen ausgestattet sein, um die angesprochene Professionalität auch gewährleisten zu können, worauf die Hochschulrektorenkonferenz bereits in ihren Empfehlungen „Hochschulkommunikation als strategische Aufgabe“ aus dem Jahr 2022 hingewiesen hat. Gleichzeitig müssen die Akteurinnen und Akteure aus der Wissenschaftskommunikation – und das ist eine immense nichtmonetäre Ressource – geschlossen und stark auftreten, gerade wenn es um die Stärkung und Anerkennung von Wissenschaftskommunikation und Wissenschaft für die Gesellschaft geht. Das ist ganz wichtig für die Demokratie. Wir müssen dranbleiben. Die Fragen stellte Katrin Schmermund. »Die Verantwortung der Wissenschaftskommunikation für das Vertrauen der Allgemeinheit in die Wissenschaft ist enorm.« WEITERE INFORMATIONEN Scicomm-Support: Leitfäden, Weiterbildungen und Schulungen sowie persönliche telefonische Beratung (täglich von 7 bis 22 Uhr) zu Angriffen und unsachlicher Kritik auf die Wissenschaft: https://t1p .de/0hcoi Bundesverband Hochschulkommunikation: Leitlinien für gute Wissenschaftskommunikation: https://t1p .de/dle11 Humboldt-Universität zu Berlin: Handlungsempfehlungen im Umgang mit konfliktträchtigenThemen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit: https://t1p .de/m3r3g
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