272 Forschung & Lehre 4|24 AUSGRÜNDUNGEN Professorinnen und Professoren sitzen häufig auf einem Schatz praktisch verwertbarer Forschung. Dann liegt es auf der Hand, einmal darüber nachzudenken, den Transfer über ein akademisches Spin-Off, also eine Ausgründung, zu gestalten. Die typische – durchaus nachvollziehbare – Reaktion auf einen solchen Vorschlag ist mehr als defensiv. Transfer an sich ist für manchen schon Zumutung, Transfer durch Gründung, das sei dann doch ein wenig viel verlangt. Wer als Professorin oder Professor ausgründe, der laufe Gefahr, dass Lehre und vor allem die Forschung leiden. Und das darf selbstredend nicht sein. Gleichzeitig braucht Deutschland mehr und vor allen Dingen bessere Unternehmerinnen und Unternehmer, die wirtschaftliche Vorhaben mit entsprechender Substanz realisieren. Hermann Simon hat daher an dieser Stelle vor einigen Jahren zur „Fahnenflucht“ aufgerufen (F&L 1/2011). Professorinnen und Professoren sollten ihre Lehrstühle aufgeben, um unternehmerisch tätig zu werden. Denn es brauche mehr Unternehmerinnen und Unternehmer, die anspruchsvolle Geschäftsmodelle gestalten, und wer, wenn nicht Professorinnen und Professoren könnten das leisten? Der Vorschlag war charmant, aber auch drastisch. Das Dilemma löste er nicht, sondern zwang, leicht überzeichnet, zur Entscheidung: Entweder reale Wirkung durch das Nutzen unternehmerischer Freiheit erzielen, oder aber durch akademische Freiheit zum Fortschritt der eigenen Disziplin beitragen. Entsprechend ist der professorale Exodus aus den Universitäten ausgeblieben. Internationaler Vergleich Muss das wirklich so sein und so bleiben? Oder könnte es sein, dass beides sogar synergetisch ist? In einer aktuellen Studie (Kuckertz & Scheu, 2024) haben wir uns die Frage gestellt, wie unternehmerische Aktivität von Professorinnen und Professoren mit der individuellen Forschungsleistung zusammenhängt. Wir haben dazu 190 europäische und 599 US-amerikanische Professorinnen und Professoren miteinander verglichen, die in der Crunchbase verzeichnet sind, einer Datenbank, welche die globale StartupSzene abzubilden sucht. Die Stichprobe ist damit nicht repräsentativ für die Professorenschaft an sich, sondern muss als Erhebung verstanden werden, die Professorinnen und Professoren identifiziert, die Einfluss auf die Gründungswelt haben – sei es als Lehrende, als Vordenker oder als Transferverantwortliche, aber eben auch als Gründerinnen und Gründer. 25 Prozent der in der Stichprobe berücksichtigten Professorinnen und Professoren haben entsprechend eigene Unternehmen gegründet. Diese Daten wurden mit weiteren Datenbanken wie Scopus, Startup Genome und dem Times Higher EducationRanking kombiniert, um ein umfassendes Bild des institutionellen Umfelds zeichnen zu können und auch die individuelle Forschungsleistung zu berücksichtigen. Professorinnen machen 20 Prozent der Stichprobe aus, gleichzeitig werden die Daten stark von Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern (80 Prozent) bestimmt. Die berücksichtigten Individuen sind akademisch sehr erfahren (Ø 25,99 ± 12,32 Jahre seit der ersten Publikation) und zeichnen sich, gemessen über ihren individuellen Scopus-H-Index, als durchaus produktiv aus (Ø 32,12 ± 30,93). Wenn man Alter, institutionelles Umfeld, Geschlecht, Karrierestufe und andere potenzielle Erklärungen kontrolliert, so zeigt sich, dass gerade für diejenigen, die an forschungsstarken Einrichtungen aktiv sind, Unternehmertum als Katalysator für Forschungsleistung dient. Wenig verwunderlich ist in diesem Zusammenhang: Je besser die Rahmenbedingungen für die Forschung, desto besser die individuelle Forschungsleistung. Allerdings wird diese Beziehung durch professorales unternehmerisches Engagement deutlich verstärkt. Das heißt: Unternehmertum hilft der Forschung, es schadet ihr nicht. Und es hilft insbesondere in | ANDREAS KUCKERTZ | Wie beeinflusst das Engagement von Professorinnen und Professoren im Transfer die individuelle Forschungsleistung? Ergebnisse einer aktuellen Studie . Transfer durch Gründung Wissenschaft und Unternehmertum Andreas Kuckertz ist Professor für Unternehmensgründungen und Unternehmertum an der Universität Hohenheim. Für das Forschungsnetzwerk Entrepreneurship, Innovation und Mittelstand e.V. ist er seit 2018 als Präsident aktiv. Foto: InnoGreenhouse/ Universität Hohenheim AUTOR »Es gibt nicht nur die Einheit von Forschung und Lehre, auch Forschung und Transfer als Einheit zu denken kann sinnvoll sein.«
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