Forschung & Lehre 04/2024

Forschung & Lehre 4|24 278 CHINA idealerweise stärker davon profitiert als die andere Seite. Dieser Ansatz ist legitim. Auf der deutschen Seite wurde zuletzt die duale Nutzung von Wissen und Technologie für zivile sowie militärische Zwecke diskutiert. Es wird vermieden, diese Art von Forschungskooperation zu betreiben, um der militärischen Aufrüstung Chinas keinen Vorschub zu leisten. Es ist wichtig zu beachten, dass in China Wissenschaft nicht nur aus reiner Neugierde betrieben wird, sondern dass Wissenschaftsakteure auch staatlich vorgegebene Ziele verfolgen. Karrieren in China können auch davon abhängen, inwieweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Beitrag zu nationalen Entwicklungszielen leisten. Die deutsche Seite hat oft Schwierigkeiten einzuschätzen, ob neue Technologien oder Erkenntnisse auch für militärische Zwecke eingesetzt werden. F&L: Der DAAD hat jüngst Leitlinien für die akademische Zusammenarbeit mit Chinaveröffentlicht. Brauchen wir mehr China-Kompetenz? Philipp Böing: Insgesamt sind die drei Leitprinzipien und Empfehlungen des DAAD zum interessensorientierten, risikoreflexiven sowie kompetenzbasierten Handeln ein sinnvoller Impuls. Diese Leitlinien helfen dabei, den Nutzen und die Risiken einer Kooperation im Vorfeld besser abzuschätzen. Am Ende können die Forschenden für sich abwägen, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der wissenschaftlichen Zusammenarbeit aussieht. Unsere Werte, ethische Standards sowie die Freiheit der Wissenschaft spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle. F&L: Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die China-Strategie der deutschen Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr? Philipp Böing: Der China-Strategie der Bundesregierung ging ein umfassender politischer Abstimmungsprozess voraus. China wird darin als Partner, Wettbewerber und strategischer Rivale klassifiziert. Dieses Dreieck ist für die innerdeutsche Interessenaushandlung zumindest ebenso wichtig wie für die Gestaltung der deutschen Außenpolitik. Wichtiger als die einmalige Veröffentlichung eines Strategiepapiers ist jedoch die fortwährende Beschäftigung mit Chinas Entwicklung. Um dessen globale Bedeutung angemessen zu berücksichtigen, müsste in Deutschland ein breites China-Interesse mit vielfältigen Ausprägungen entstehen. Die China-Strategie allein wird nicht ausreichen, kann aber als Ausgangspunkt dienen. Es ist vor allem wichtig, nicht nur eine reaktive und risikominimierende Haltung einzunehmen, sondern Austausch und Zusammenarbeit auch aktiv im Interesse Deutschlands zu gestalten. Mittlerweile gibt es in Deutschland deutlich mehr Aufmerksamkeit für einen kritischen Umgang mit China, nicht zuletzt in der Wissenschaft. Allerdings ist die China-Kompetenz noch nicht in gleichem Maße gestiegen. In den letzten Jahren hat beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung Maßnahmen ergriffen, um sowohl das Wissen zum modernen China zu erweitern als auch den Wissenstransfer in Deutschland zu fördern. Solche Maßnahmen können in der wissenschaftlichen Praxis einen wichtigen Beitrag leisten. F&L: Wie steht es um die DeutschlandKompetenz in China? Philipp Böing: Entsprechende Fachkreise in China sind über den aktuellen Diskurs in Deutschland gut informiert. Während meiner Zeit als Professor am China Center for Economic Research der Peking University fiel mir jedoch auf, dass das Interesse der chinesischen Volkswirte an Deutschland recht begrenzt war. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit China und den USA. Dieses internationale Kräfteverhältnis ist von Interesse, da diese Achse nahezu alles in dem Diskurs bestimmt. Auch sämtliche Forschungskooperationen wurden mit angelsächsischen Top-Universitäten durchgeführt. Das Interesse, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland zusammenzuarbeiten, war vergleichsweise gering. Deutsche Universitäten haben im Vergleich häufig nicht das Renommee, um chinesische Top-Universitäten wie die Peking University oder die Tsinghua University als neue Partner zu gewinnen. Der Schwerpunkt der internationalen Kooperation lag daher lange und mit weitem Abstand klar auf den USA. In den letzten Jahren zeichnet sich im Nachgang der amerikanischen „China Initiative“ eine allmähliche Orientierung in Richtung Europa ab. Auf Grundlage hinreichender ChinaKompetenz könnte man diese Entwicklung auch in Deutschland als Chance betrachten. Die Fragen stellte Vera Müller. KLEINE FÄCHERKUNDE Was erforschen Sie? Die Ingenieurgeologie beschäftigt sich im Kern mit der Übersetzung fragmentierter geologischer Informationen in praktische Entscheidungen. Unsere skalenübergreifende Forschung ist sehr stark experimentell ausgerichtet, insbesondere auch in Untergrundlaboren, und fokussiert auf thermo-hydro-mechanisch gekoppelte Prozesse. Was fasziniert Sie daran? Es ist die Mischung aus interdisziplinären Arbeiten im Feld, Labor und im Untergrund mit modernen Methoden, gepaart mit Verfahren der nummerischen Modellierung. Dies sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch industrieller Anwendungen. Die Vielfalt der Aufgaben des Fachs, besonders auch im Hinblick auf zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen, übt hierbei die größte Faszination aus. Für wen ist das wichtig? Ein sehr großer Teil unserer Arbeit ist äußerst relevant für den Strukturwandel und anstehende Herausforderungen. So findet man uns in Bereichen der Endlagerung radioaktiver Abfälle, Klimawandel und Naturgefahren, Nutzung geothermischer Ressourcen, Tunnel- und Talsperrenbau. Prof. Dr. Florian Amann Chair of Engineering Geology, RheinischWestfälischeTechnische Hochschule Aachen Foto: Florian Amann

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