281 4|24 Forschung & Lehre LÄNDERBERICHT Wissenschaftscommunity auch direkten Angriffen der Regierung ausgesetzt: So wurden 2021 31 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wegen Geldwäsche, organisierter Kriminalität und Veruntreuung angeklagt. Das Verfahren hat national und international zu Kritik an der Verhältnismäßigkeit der Anklage und zur Sorge um die Wissenschaftsfreiheit in Mexiko geführt. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Mexiko sehen daher ihre akademische Freiheit, aber auch die Grundlagenforschung und Internationalisierung des Wissenschaftssystems bedroht. Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität Dabei ist Mexiko auf eine hohe Attraktivität für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende angewiesen: Das Land kämpft mit einem immensen Fachkräftemangel und versucht, akademischen Nachwuchs aus der spanischsprachigen Welt anzuwerben. Zumal Mexiko gerade auch auf Expertinnen und Experten in Forschung und Entwicklung sowie im Innovationsbereich angewiesen ist: Das Land hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hub im Start-Up Bereich entwickelt, insbesondere für Informationstechnologien und Fintech. CONAHCYT legte dazu ein eigenes Förderprogramm auf, viele Hochschulen haben Transfer-Inkubatoren gegründet und landesweit wurden Wissenschaftsund Technologieparks errichtet, die eng mit Hochschulen, Forschungszentren und der Industrie zusammenarbeiten. Zugleich zeigt der Blick auf die staatlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung an den Hochschulen unter Präsident López Obrador ein ernüchterndes Bild: Derzeit investiert Mexiko nur 0,4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) und liegt damit weit unter dem Durchschnitt der OECD. Da Mexiko insbesondere die angewandte Forschung zum Dienste der Gesellschaft vorantreiben will, besteht in der Wissenschaft die Sorge, dass die Finanzierung der Grundlagenforschung zukünftig zu kurz kommt. Trotz der genannten Herausforderungen hat das Interesse der Hochschulen an der Internationalisierung nicht nachgelassen, und dies gilt auch für Kooperationen mit Deutschland. Mittlerweile existieren fast 500 Hochschulkooperationen zwischen beiden Ländern; die Bundesrepublik steht in Mexiko auf Platz drei der beliebtesten Studienziele. Mehr als 3 500 Studierende sind an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Das Interesse beruht dabei auf Gegenseitigkeit: Laut DAAD-Statistik ist Mexiko das beliebteste lateinamerikanische Land für ein Studium oder einen Forschungsaufenthalt, im Jahr 2022 wurden über 500 Personen vom DAAD in Mexiko gefördert. Seitens der mexikanischen Hochschulen besteht zudem großes Interesse am Modell des dualen Studiums und sowie an den Ingenieurswissenschaften allgemein. Blick in die Zukunft Trotz der turbulenten vergangenen sechs Jahre lassen sich die mexikanischen Hochschulen und Wissenschaft mit Blick auf die zukünftige Wissenschaftspolitik nicht entmutigen, im Gegenteil: Man hofft auf eine erste Präsidentin Mexikos, die der Wissenschaft offen und konstruktiv gegenübersteht und die notwendigen Entwicklungen der Hochschulen vorantreibt. Die MORENA-Partei des Amtsinhabers hat Claudia Sheinbaum als Präsidentschaftskandidatin nominiert. Die ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt ist promovierte Physikerin und Mitglied des Weltklimarats der Vereinten Nationen. Sie gilt als enge Verbündete des scheidenden Präsidenten und liegt in aktuellen Umfragen vorn. Ihre Herausforderin aus der Opposition ist die Senatorin Xóchitl Gálvez, eine Unternehmerin und studierte Computertechnikerin. Sie hat versprochen, das Budget vom CONAHCYT zu erhöhen, unter anderem auch, um mehr Stipendien für Studierende zu ermöglichen. Außerdem will sie einen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung neuer Technologien wie künstliche Intelligenz legen. Daher: Unabhängig davon, wie die Wahlen ausgehen – seitens der Wissenschaftscommunity blickt man derzeit wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Foto: mauritius images / Alamy DAS HOCHSCHULSYSTEM MEXIKOS Mexiko hat mit seinen insgesamt 4 422 Hochschulen das größte Bildungssystem Lateinamerikas, rund zwei Drittel der Hochschulen sind privat und kostenpflichtig. Mit seinen 26 Forschungszentren gilt Mexiko zudem als führend in der Forschung in Lateinamerika. Im internationalenTimes Higher-Ranking befinden sich das privateTEC de Monterrey sowie die größte staatliche „Universidad Nacional Autónoma de México“ (UNAM) unter denTop 15 Bildungsinstitutionen. Die Zahl der Studierenden an öffentlichen Hochschulen ist von 2000 bis 2022 von 1,1 Millionen auf fast 5,2 Millionen gestiegen. Zugleich lehnen die öffentlichen Hochschulen jedes Jahr rund 470 000 Studienanwärterinnen und -anwärter aufgrund mangelnder Studienplätzeab. Historisches Archiv seltener Bücher an der Universität von Guanajuato, Mexiko.
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