12|24 Forschung & Lehre 885 NACHRICHTEN Täglich aktuelle Nachrichten auf www.forschung-und-lehre.de Ampel-Aus: Reformen in Wissenschaft fraglich Nach dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November ist es fraglich, welche Reformen in der Wissenschaft noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können. Über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) hat der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in einer Anhörung am 13. November gesprochen. Ausschussvorsitzender Kai Gehring kündigte zu Beginn noch an, dass die Sitzung und die Kompromissbereitschaft der Parteien im Bundestag bestimmen, ob eine Novelle beschlossen werden könne. Am Ende der Sitzung war klar, dass dies sehr unwahrscheinlich ist. Keiner der geladenen Sachverständigen war von den Einzelheiten des Regierungsentwurfs zur Änderung des wissenschaftlichen Befristungsrechts überzeugt. Die Vertreter der Wissenschaftsorganisationen waren sich einig: Die im Entwurf enthaltene Mindestvertragslaufzeit sei zu begrüßen. Vor der Aufhebung der Tarifsperre warnten sie. Es bestehe die Gefahr einer Zersplitterung des Wissenschaftssystems, die mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden sei und dem Ziel widerspreche, die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland zu verbessern. So argumentierten Professor Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Wolfgang Wick vom Wissenschaftsrat, Professor Patrick Cramer von der Max-PlanckGesellschaft und Dr. Jan Wöpking von German U15, dem Zusammenschluss der 15 forschungsstarken Universitäten in Deutschland, sowie Arbeitsrechtsprofessor Olaf Deinert von der Georg-August-Universität Göttingen. Wick kündigte ein Positionspapier des Wissenschaftsrats an, das eine systematische Betrachtung der Wissenschaftskarrieren enthalten werde. Auf dieses solle laut Cramer gewartet werden. In der nächsten Legislaturperiode kann neu über das WissZeitVG verhandelt werden. Auch der Gesetzentwurf für das Forschungsdatengesetz, der eigentlich kurz vor der Veröffentlichung gestanden haben soll, muss wohl warten. Bundeskanzler Scholz will nach aktuellem Stand am 16. Dezember die Vertrauensfrage stellen. Verliert seine Regierung das Vertrauen, soll es am 23. Februar Neuwahlen geben. Missbrauch sicherheitsrelevanter Forschung: Leopoldina und DFG warnen vor Risiken Der aktuelle Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur sicherheitsrelevanten Forschung hebt hervor, dass Wissenschaft zunehmend unter den Einfluss nationaler Sicherheitsinteressen gerät. Vor dem Hintergrund globaler Krisen und Systemrivalitäten werde Forschung immer stärker auf Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Autonomie und Wehrhaftigkeit ausgerichtet. Der Gemeinsame Ausschuss (GA) der beiden Organisationen warnt vor dem Risiko, dass Forschung missbraucht werden könnte, um Leben, Gesundheit, Umwelt oder das friedliche Zusammenleben zu gefährden. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es sicherheitsrelevante Forschungsrisiken in nahezu allen Wissenschaftsbereichen gibt. Der GA bewertet dabei Forschung als „besorgniserregend“, wenn der Missbrauch unmittelbar erfolgen kann und die möglichen Schäden erheblich sind. Wichtig sei der Schutz von Forschung vor Spionage und politischer Einflussnahme, ohne dabei internationale Kooperationen zu gefährden. Auch hochschuleigene Zivilklauseln, die Forschung auf friedliche Zwecke begrenzen, gerieten zunehmend ins Visier der Politik. Forschung dürfe nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Der Bericht würdigt Fortschritte bei der schützenden Selbstregulierung der Wissenschaft im Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung an deutschen Forschungseinrichtungen. Ein übermäßiger Fokus auf Kontrolle und Dokumentation könne Forschung jedoch lähmen. Die Maxime „so offen wie möglich, so restriktiv wie nötig“ solle Leitlinie bleiben, um auch mit Ländern kooperieren zu können, die andere Werte vertreten, wie etwa China. Bisherige Auswertungen kamen zu dem Schluss, dass bedenkliche Forschungsarbeiten selten sind. Mit der Verlängerung des GA-Mandats bis 2030 soll die Entwicklung noch genauer untersucht werden. KOMMENTAR Neustart Die Bilanz der Wissenschaftspolitik der Anfang November zurückgetretenen Wissenschaftsministerin Stark-Watzinger fällt überaus mau aus: Konnte sie zunächst noch die Dynamisierung des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“ für sich verbuchen, wollte ihr zusehends nichts mehr gelingen. Schwer lastete auf Stark-Watzinger vor allem die Fördergeldaffäre, die sie trotz Rücktrittsforderungen aussaß und dafür jeglichen Kredit in großen Teilen der Wissenschaft verspielte. Am Tiefpunkt angelangt sind auch die Arbeitsbeziehungen zwischen Bund und Ländern, auf die es in Bildung und Wissenschaft doch ankommt. Dass bis zur Neuwahl große Reparaturarbeiten durch Landwirtschaftsminister Özdemir in seiner Nebenrolle als Wissenschaftsminister gelingen, ist kaum mehr als ein weihnachtlicher Wunsch. Spätestens nach den Wahlen bedarf es an der Spitze des Ministeriums einer starken Persönlichkeit, die mit Ehrgeiz, Ideenreichtum, Tatkraft und Begeisterung vorangeht, durch Kommunikation verlorenes Vertrauen in der Wissenschaft zurückgewinnt und die Führungsebene des Hauses in erster Linie mit Fachleuten statt treuen Parteisoldaten besetzt. Ein Neustart in der Wissenschaftspolitik kann und muss gelingen: Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, ein BundLänder-Programm für Dauerstellen neben der Professur, der Digitalpakt 2.0 oder das Forschungsdatengesetz dulden keinen Aufschub. Yvonne Dorf Stimmen aus der Wissenschaft zum Ampel-Aus auf forschung-und-lehre.de: https://t1p.de/jazbj
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