Forschung & Lehre 12|24 892 HOCHSCHULBAU Langfristig planen und finanzieren Zur prekären baulichen Infrastruktur der Universitäten Forschung & Lehre: Seit der Föderalismusreform 2006 sind die Länder allein für den Hochschulbau verantwortlich. Angesichts von 74 Milliarden Euro Sanierungsstau scheint das dem Hochschulbau nicht wirklich gut bekommen zu sein… Ulf Richter: Die zusätzlichen Entflechtungsmittel, die die Länder erhielten, haben sie nicht in dem Umfang in den Hochschulbau investiert, wie sie es hätten tun müssen. Das war vor der Föderalismusreform mit der Kofinanzierung anders. Zu jedem Euro, den ein Land in den Hochschulbau investierte, gab es auch einen Bundes-Euro. Die Länder hatten also ein eigenes Interesse, denn durch die zusätzlichen Mittel des Bundes für einen Hochschulbau konnten sie ihr jeweiliges Bundesland aufwerten. Dieser Hebel existierte nach 2006 nicht mehr. Die Länder setzten dann andere Prioritäten. Bereits in der sogenannten Düsseldorfer Erklärung 2012 wiesen die Kanzlerinnen und Kanzler deutlich auf den Sanierungsstau und die damit zusammenhängenden Kosten für die Länder hin. Das ist dann leider auch so eingetreten. F&L: Wenn man sich den Haushalt einer Universität anschaut: Wie viel von der staatlichen Grundfinanzierung kann in die bauliche Infrastruktur investiert werden? Ulf Richter: Viel zu wenig. Der Sanierungsstau ist entstanden, weil nicht kontinuierlich investiert wurde. Gebäude können etwa 50 bis 55 Jahre genutzt werden. Zwischen drei und vier Prozent des Investitionsvolumens, also mehr als die Abschreibungen, wären optimal, wenn man die Preissteigerung bei den Investitionen berücksichtigt. Der Wert der Gebäude steht fest, aber da die Baupreise steigen, sollte man immer etwas mehr einplanen. Wenn eine Hochschule kontinuierlich drei Prozent vom Gebäudewert investieren könnte, würde ein solcher Sanierungsstau nicht entstehen. Ein Blick in die Bilanzen der Hochschulen oder der Landesbaubetriebe zeigt aber, dass diese drei bis vier Prozent über Jahre beziehungsweise Jahrzehnte nicht investiert wurden. Da darf man sich nicht wundern, dass man nun vor einer großen Sanierungswelle steht. Der Zustand des Hochschulbaus hängt aber auch stark von den einzelnen Bundesländern ab. Das Hochschulbauprogramm Heureka in Hessen zum Beispiel ist nach wie vor eine der besten Varianten, um den Sanierungsstau abzuarbeiten. Hessen stellt planbar langfristig finanzielle Mittel zur Verfügung, um zu investieren. F&L: Welchen Einfluss haben die Kanzlerinnen und Kanzler auf die jeweils zuständigen Bundesländer, mehr Geld in den Hochschulbau zu investieren? Ulf Richter: Ich kann nur für Nordrhein-Westfalen sprechen. Bei unseren Kanzlertreffen ist der Hochschulbau immer eines der Topthemen. Alle zwei bis drei Monate steht es in den sogenannten Kanzlerkonferenzen des Landes auf der Agenda. Es geht vor allem darum, bei den Politikerinnen und Politikern ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen, insbesondere im Ministerium für Wissenschaft und Kultur und im Ministerium für Finanzen. Was haben wir erreicht? Zum einen das sogenannte „Optionsmodell Bauherreneigenschaft“, womit die Hochschulen selber bauen dürfen, und das nun in fast allen Bundesländern möglich ist. Das ist ein wichtiger Schritt, denn vorher war dafür der Bauund Liegenschaftsbetrieb des Landes zuständig. Für ein besseres und schnelleres Bauen ist aber noch etwas wichtig: der Verwaltungsaufwand, wir kämpfen darum, Prozesse nicht noch stärker zu bürokratisieren. Bau-, Wissenschaftsund Finanzministerium haben alle ihre eigenen Prüflogiken und -verfahren, das führt häufig zu Verzögerungen. F&L: Hochschulbauprogramme wie das von Hessen helfen, den Sanierungs- und Modernisierungsstau im Hochschulbe- | IM GESPRÄCH | Der Hochschulbau in Deutschland ist unterfinanziert und überbürokratisiert. Wo gilt es anzusetzen, damit der Sanierungsstau abgebaut werden kann? Fragen an denVorsitzenden des Arbeitskreises Hochschulbau der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten. Ulf Richter ist Kanzler der Universität Siegen sowie Vorsitzender des Arbeitskreises Hochschulbau der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten. Foto: Universität Siegen
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