Forschung & Lehre 12|24 898 HOCHSCHULBAU Edgar Dingeldein: In den Grundbüchern steht bis auf wenige Ausnahmen das Land Hessen als Eigentümerin unserer Liegenschaften. Aber das Gesetz ermächtigt die TU Darmstadt, diese Liegenschaften als ihr Eigentum zu betrachten. Wir haben auch schon welche gekauft oder verkauft, aber nie primär zur Liquiditätsverbesserung. So bleibt für die TU tatsächlich nur das, was aus staatlichen Geldern kommt oder aus Drittmitteln, manchmal gibt es auch Spenden. Sonst sind unsere Möglichkeiten sehr gering. Wir haben vielfach diskutiert, ob PPP (Private-Public-Partnership), also das Einsteigen eines Investors, für uns infrage kommt, aber da gibt es aus meiner Sicht immer nur einen Gewinner. Ein Investor muss Rendite erwirtschaften, Risiken werden eingepreist und bezahlt, auch wenn sie nicht eintreten. Deshalb ist das Bauen von vornherein teurer, als wenn wir es selbst machen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn man mit einem Investor arbeitet, gibt es irgendwann ein sogenanntes Design Freeze. Dann wird nichts mehr geändert. F&L: Verändern sich häufig Anforderungen während der Bauphase? Edgar Dingeldein: Immer. Das ist ganz entscheidend: In der Wissenschaft ist der Bedarf, den man anmeldet, sobald er genehmigt ist, häufig schon wieder Änderungen unterworfen – zum Beispiel, weil es neue Entwicklungen bei Geräten und Technologien gibt. Natürlich prüfen wir, was wirklich notwendig ist. Aber es gibt einfach Adhoc-Entwicklungen, auf die man bei der baulichen Planung eingehen muss. Das Problem ist: Wenn man mit solchen Änderungswünschen auf einen Investor zugeht, dann wird es richtig teuer, da ab dem Zeitpunkt keine vertraglichen Regelungen bezüglich Preis und Terminen mehr wirksam sind. Deshalb ist das für uns kein Modell. F&L: Warum streben nicht mehr hessische Hochschulen nach Bauautonomie, obwohl dies möglich wäre? Edgar Dingeldein: Das Land hat die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass Hochschulen auf Antrag autonom werden können, diese probieren das auch zunehmend in Teilprojekten aus. Dafür müssen sie Strukturen und das entsprechende Personal bezüglich Expertise und Quantität nachweisen. Nach fünf Jahren wird evaluiert, wie man das auch bei uns auch gemacht hat. Die Chancen sind klar: Entwicklung für Forschung und Lehre. Die Kehrseite ist die volle Verantwortung: für die Liegenschaften, für die Sicherheit, für das Geld, für alles, was mit Immobilien verbunden ist. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen von anderen Hochschulen sehen die Chancen, aber sie sagen, meine Hochschulleitung will die Risiken nicht übernehmen. Das heißt, es braucht ein Präsidium oder einen Kanzler, der sagt, das ist mein Thema, mit den Risiken kann und will ich umgehen. Da finden sich deutschlandweit nicht so viele, die das machen wollen. Man muss mit der Verantwortung umgehen können, sodass die Gesetze und Paragrafen einen nicht erschlagen. Man bewegt sich hier immer wieder auf einem schmalen Grat. Es gibt Personen, die das händeln können, und es gibt welche, die können und wollen es nicht. F&L: Es hängt also mehr von den Personen ab als von den Strukturen? Edgar Dingeldein: Beides, es hängt natürlich auch von den Strukturen ab. Sie brauchen Mitarbeitende – Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure –, die in der Lage sind, solch eine Bauherrenschaft zu leisten. Da kann man im Präsidium noch so viel wollen, ohne funktioniert es nicht. Gleichzeitig gehört immer ein kompletter Verwaltungsapparat dazu, der eine Autonomie trägt: Finanzen, Personal und Recht oder auch der technische Betrieb. Alle müssen erkennen, dass die Autonomie ein Vorteil ist. Wir jedenfalls sehen Verantwortung als Chance für Gestaltung, und das nicht nur im baulichen Sinn. Ich bin Architekt, ich will gestalten, ich will etwas entwickeln. Auch als freiberuflicher Architekt muss ich immer dafür Sorge tragen, dass die Baustellen und der Betrieb sicher sind. Es gibt Situationen, in denen das kritisch ist, aber es gibt einen Handlungsrahmen, und den muss man ausfüllen wollen und können. F&L: Derzeit ist häufig die Rede von neuen Forschungs- und Lernmethoden. Wie begegnen Sie diesen Entwicklungen? Edgar Dingeldein: Das spielt überall eine Rolle. Aktuell haben wir beispielsweise ein Projekt in der Stadtmitte, wo alte Maschinenbau-Forschungshallen aus den 1950er-Jahren geräumt worden sind und ein moderner Lernort entsteht. Dort geht es ums Lernen, aber auch um Gesundheit, um Kunst und Kultur. Zu einem Hallenabschnitt haben wir mit Studierenden aus dem Fachbereich Architektur einen studentischen Wettbewerb gemacht. Daraus ist eine Art Reallabor entstanden, wo Studierende mit anderen Beteiligten, auch aus der Lehre, ihr Gestaltungskonzept nach und nach umsetzen. Wir brauchen für die Studierenden einen Lernort, mit dem sie sich identifizieren können, wo sie gut lernen können, wo aber zum Beispiel auch Veranstaltungen stattfinden. Generell rücken auch Außenbereiche vermehrt in den Mittelpunkt, also die städtebauliche Qualität von einem Campus. F&L: Wie steht es um den aktuellen Sanierungsbedarf an der TU Darmstadt? Edgar Dingeldein: Ich würde die Situation als dramatisch bewerten. Wir haben in den letzten Jahren viel gebaut, anfangs hatten wir etwa 300 000 Quadratmeter Hauptnutzfläche, jetzt sind es ungefähr 360 000 Quadratmeter. Natürlich ist es ein enormer Aufwand, das alles in Betrieb zu halten: personeller Aufwand und Mittelaufwand, Energiekosten, Entsorgungskosten, Kosten für Hausmeister und die Sicherheit. Allerdings gibt es dafür nur marginal mehr Geld. Und jetzt sind die Aufwüchse, die wir für 2025 und 2026 erwartet haben und die zur besseren Ausstattung für Hochschulen im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, erst mal auf Halt gesetzt. Daher können wir gerade nur das Allernötigste machen und müssen als TU an die eigenen Reserven gehen, um noch das ein oder andere möglich zu machen. F&L: Was wären in Ihren Augen die wichtigsten Maßnahmen, um dem allgemeinen Sanierungsstau an deutschen Hochschulen zu begegnen? Edgar Dingeldein: Den Hochschulen muss mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Wenn das nicht passiert, »Es gab nicht nur Befürworter der Autonomie. Da spielt auch das Thema Kontrollverlust und Gesichtsverlust eine Rolle.«
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