915 12|24 Forschung & Lehre PUBLIZIEREN weiterhin an einer wissenschaftlichen Einrichtung tätig ist und von dieser zur Verantwortung gezogen werden kann. Lösungsmöglichkeiten nach erfolgloser Kontaktaufnahme Wenn ein Autor trotz aller Bemühungen nicht auffindbar ist beziehungsweise nicht reagiert, sollte geprüft werden, ob der Artikel ohne den von ihm geleisteten Beitrag publiziert werden kann. Wichtig ist, dass zum Beispiel ein Experiment nicht einfach von einer anderen Mitautorin wiederholt werden kann, um einen Autorschaftsanspruch zu „überschreiben“. Der Credit gehört üblicherweise der Person, die das Experiment zuerst durchgeführt hat. Steht die Leistung des Autors auf der Schwelle zu einem lediglich technischen Beitrag (zum Beispiel Datenerhebung unter enger Anleitung), ist abzuwägen, ob dieser in dem betreffenden Fachgebiet mittels einer Danksagung angemessen gewürdigt werden kann. Eine Danksagung erscheint erwägenswert, weil dafür in der Regel keine Einwilligung erforderlich ist. Dieser Weg darf Autorinnen jedoch nicht dazu verleiten, den Beitrag der betreffenden Person absichtlich zu schmälern, um Verzögerungen im Publikationsprozess zu entgehen. Es ist davon abzuraten, einen Beitrag mit oder ohne Namen der betreffenden Person ohne deren Zustimmung zu veröffentlichen. Gleiches gilt für das Setzen einer Frist, nach deren Verstreichen der Artikel gegebenenfalls auch ohne Zustimmung veröffentlicht werden soll. Ein solches Vorgehen ist nicht rechtssicher, weil der oder die „Übergangene“ nachträglich Ansprüche auf eine Autorschaft oder sogar urheberrechtliche Ansprüche geltend machen könnte. Zudem könnten Vorwürfe eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen die Co-Autorinnen und -Autoren erhoben werden. Aus diesem Dilemma führt auch ein sogenannter (umstrittener) „Ombudsspruch“ nicht heraus, bei dem Ombudspersonen nach einer gewissen Frist die Freigabe eines Artikels zur Publikation erteilen. Erwägen Autorinnen und Autoren dennoch eine Veröffentlichung, ohne dass die Zustimmung aller Autoren vorliegt, sollten sie dies in jedem Fall gegenüber dem Publikationsmedium offenlegen, um eine Prüfung im Rahmen von dessen Publikationsrichtlinien zu ermöglichen und Konflikte im Nachgang zu vermeiden. Wenn die in Frage stehende Veröffentlichung zum Zeitpunkt des Kontaktabbruchs schon weit gediehen war und an dem Beitrag der Autorin oder des Autors keine substanziellen Änderungen mehr erfolgt sind, kommt auch in Betracht, diesen in einer Fußnote explizit zu kennzeichnen und darauf hinzuweisen, dass die Autorin oder der Autor nur für diesen Beitrag die Verantwortung trägt. Dies wäre mit dem DFGKodex zur GWP vereinbar, in dem es heißt: „[Die Autoren] tragen für die Publikation die gemeinsame Verantwortung, es sei denn, es wird explizit anders ausgewiesen.“ Präventive Maßnahmen Um solche Hürden im Publikationsprozess von vornherein zu vermeiden, bedarf es einer vorausschauenden, transparenten Kommunikation – spätestens, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während eines noch laufenden Projekts die Einrichtung verlassen. Insbesondere sollten die folgenden Punkte bedacht werden: Die Person, die das Projekt verlässt, sollte den anderen Autorinnen und Autoren Kontaktmöglichkeiten nennen. Die wissenschaftlichen Beiträge, die von der Person erbracht wurden, und mögliche Autorschaftsansprüche sollten dokumentiert werden. Die Zusammenarbeit an ausstehenden Publikationen sowie die angedachte Autorenreihung sollten besprochen werden: Wie soll die Kommunikation über die Entwürfe erfolgen? Welcher Zeitplan ist einzuhalten? Zeitliche Engpässe der die Einrichtung verlassenden Person aufgrund einer neuen Tätigkeit sollten realistisch berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, alle Absprachen schriftlich zu fixieren, etwa in einer Autorschaftsvereinbarung oder schlicht per E-Mail, damit diese bei Bedarf rekapituliert werden können. Werden diese Tipps beachtet, können Konflikte im Publikationsprozess sehr sicher vermieden werden. KLEINE FÄCHERKUNDE Was erforschen Sie? Pollen, Sporen und andere biologische Reste lagern sich über die Zeit in Seen, Mooren oder Meeren ab. Diese „Umweltarchive“ enthalten Informationen, wie sich Ökosysteme, Biodiversität und Umwelt, zum Beispiel das Klima, verändert haben. Auch die Reaktion von Ökosystemen auf Klimaveränderungen und menschliche Einflüsse in der Vergangenheit werden im Fach Palynologie untersucht. Pollenkörner sind wie der Fingerabdruck einer Pflanze und sie werden als Indikatoren vielfältig eingesetzt. Was fasziniert Sie daran? Palynologische beziehungsweise paläoökologische Forschungen sind aktuell und sehr vielfältig, interdisziplinär und so mit vielen Disziplinen in Kontakt. Sie erlauben einzigartige Einblicke in die Vergangenheit. Spannend ist herauszufinden, wie Vegetation in verschiedenen Regionen der Erde durch Klima und Mensch verändert wurde. Für wen ist das wichtig? Diese Studien tragen zum Verständnis heutiger und zukünftiger Veränderungen von Ökosystemen bei. Fragen zur Entwicklung, Dynamik, aktuellem Zustand, Renaturierung und Naturschutz werden adressiert. Weiterhin wird die Palynologie in Archäologie (Siedlungsgeschichte), Geografie (Landschaftsgeschichte), Honigforschung (Qualität, Herkunft), Ökologie (Bestäubung, TierPflanze-Interaktionen), Kriminalistik (Tatort, Tatzeit) und Medizin (Pollenallergie) eingesetzt. Hermann Behling ist Professor am „Department of Palynology and Climate Dynamics“ der Universität Göttingen. Foto: privat
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