Forschung & Lehre 9/2019

9|19 Forschung & Lehre S TA N D P U N K T 793 Die Digitalisierung hat die Art, wie wir Bü- cher lesen und kaufen, verändert. Der Bereich Forschung und Lehre ist wohl das Feld, in dem der Wandel am augenfälligsten ist. Der Kauf, die Weitergabe oder der Verleih ge- druckter Bücher an Hochschulen und For- schungseinrichtungen laufen heute in vielen Bereichen weitgehend papierlos ab. Bildungs- und Wissenschaftsver- lage stellen ihre Inhal- te in großem Umfang digital zur Verfügung, Fach- buchhandlungen haben sich zu Digitalagenturen weiterentwickelt und bündeln den Zugang zu die- sen Inhalten. Die zentrale Frage für den wissen- schaftlichen Publikationsmarkt der Zukunft lautet aus meiner Sicht: Wie gestalten wir langfristig und nachhaltig praktikable Zugänge zu qualitativ hochwertigen Inhalten für Forschung und Lehre? Gegenwärtig erleben wir zwei sich widerstre- bende Entwicklungen: Während Verlage und In- formationsanbieter ihre Angebote kontinuierlich an die rasanten technischen Möglichkeiten anpas- sen und verbessern, sollen für die Nutzer Inhalte für Zwecke von Forschung und Lehre möglichst kostenfrei verfügbar sein. Die öffentliche Hand wird ihrer Verantwortung, für Nutzungen hoch- wertiger Inhalte durch Studierende, Lehrende oder Wissenschaftler die Ersteller der Inhalte an- gemessen zu zahlen, immer weniger gerecht. Wis- senschaftliche Einrichtungen, Hochschulen und Bibliotheken animieren die Politik vielmehr, immer mehr und immer weitergehende gesetzliche Ausnahmen im Urheberrecht zu schaffen. Diese Ausnahmen, von der Privatkopie bis hin zur aus- zugsweisen Nutzung von Lehrbüchern in Semes- terapparaten, haben ihre Berechtigung und können die Nutzung vereinfachen. Allerdings ist hier es- senziell, dass Autoren und Verlage angemessen vergütet werden. Um beiden Interessen – denen der Lehrenden und Studierenden nach barrierefreiem Zugang zu Lehrinhalten einerseits und denen der Autoren und Verlage nach angemessener Vergütung ande- rerseits – gerecht zu werden, sind Lizenzen ein zu- kunftsweisender Weg. Forschende, Lehrende und Lernende können mit einem Log-in auf ganze Rei- hen und Werke zugreifen – idealerweise künftig verlagsübergreifend. Autoren und Verlage wieder- um können in weitere digitale Standards und Qualitätsinhalte investieren. In modernen Bil- dungs- und Wissenschaftsgesellschaften ist Exzel- lenz in Forschung und Lehre ohne qualitativ hochwertige und vielfältige Inhalte, die von unab- hängigen Anbietern in einem Leistungswettbewerb erstellt und verbreitet werden, nicht erreichbar. Das Bundesjustizministerium hat im vergange- nen Jahr einen Dialogprozess zwischen Anbietern und Nutzern wissenschaftlicher Publikationen ge- startet. Das Ziel: die Möglichkeit einer zentralen Lizenzierungsplattform zu eruieren. Wenn wir hier gemeinsam konstruktive Lösungen finden, kommen wir der Antwort auf die Frage nach der Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens einen Schritt näher. Heinrich Riethmüller ist Vorsteher des Börsen- vereins des Deutschen Buch- handels. Zur Zukunft des Urheber- rechts für Wissenschaftler © Claus Setzer

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