Forschung & Lehre 9/2019

die Früchte ihrer Anstrengung. Der er- langte Status ist leistungsbasiert. Das signalisiert Kontrollierbarkeit und Ver- dientheit und löst eher gutartigen Neid aus. Manchmal hat Stolz aber auch eine andere Botschaft. Führen andere ihren Erfolg augenscheinlich auf stabile Eigenschaften wie Talent zurück, lesen wir Überheblichkeit ab und vermuten eine Geste der Dominanz. Dies führt eher zu bösartigem Neid. Ob in der Wissenschaft mehr gutartiger oder mehr bösartiger Neid ausgelöst wird, hängt somit wahrscheinlich von den Personen, aber auch vom Wissenschaftssystem selbst ab. Erfolge, die planbar und leis- tungsbasiert sind, sollten für gutartigen Neid förderlicher sein als Standesdün- kel und Prozesse, die undurchschaubar sind. Bewunderung statt Neid? Aber wäre es nicht am besten, wenn man gar keinen Neid, sondern reine Bewunderung empfinden würde? Be- wunderung ist ein angenehmes Gefühl und enthält keinen Schmerz. Die Da- tenlage ist kompliziert. Sie spricht dafür, dass Bewunderung nicht in der gleichen Qualität motiviert. Die Moti- vation des gutartigen Neids ist konkret und unmittelbar. Unser ersehntes Ziel wird uns vor Augen geführt, aber gleichzeitig die Gewissheit, dass wir da- von noch entfernt sind. Es könnte diese schmerzhafte Diskrepanz sein, die be- sonders zu Taten motiviert. Bei der Be- wunderung fehlt der unmittelbare Ver- gleich. Wenn Bewunderung motiviert, dann wahrscheinlich abstrakter und weniger fokussiert: Irgendwann möchte ich auch etwas Großes leisten. Vieles spricht dafür, dass das Wis- senschaftssystem einen idealen Nähr- boden für Neid bietet. Die wissen- schaftliche Karriere ist mit viel Unsi- cherheit behaftet. In solchen Situatio- nen sind soziale Vergleiche besonders bedeutsam. Das System ist dabei hoch kompetitiv. Nur wenige schaffen es am Ende auf eine Professur. Damit fördert das System soziale Vergleiche und baut auf ihnen auf. Quantitative Kriterien wie Impact-Faktoren, Zitationsraten und Drittmittelvolumen vereinfachen soziale Vergleiche, und Soziale Netz- werke wie ResearchGate fördern sie mit eigenen Metriken des Erfolgs. Ob- wohl gutartiger Neid positive motiva- tionale Konsequenzen hat und natürlich auch Stolz über eigene Erfolge zu noch mehr Anstrengung anfeuern kann, birgt ein solches System ebenfalls die Gefah- ren von bösartigem Neid, der die ko- operative Zusammenarbeit von Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefährdet. Dies sollte beim Ruf nach immer mehr Wettbewerb in der Wis- senschaft nicht vergessen werden. 9|19 Forschung & Lehre K A R R I E R E - P R A X I S 837 Foto: mauritius-images L I T E R AT U R Corcoran, K., Crusius, J., & Mussweiler, T. (2011). Social comparison: Motives, standards, and mechanisms. In D. Chadee (Ed.),Theories in social psychology (pp. 119–139). Oxford, UK: Wiley-Blackwell. Crusius, J., & Lange, J. (2017). How do people respond to threat- ened social status? Moderators of benign versus malicious envy. In R. H. Smith, U. Merlone, & M. K. Duffy (Eds.), Envy at work and in organizations (pp. 85–110). New York, NY: Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/acprof :oso/9780190228057.003.0004 Utz, S., & Muscanell, N. L. (2018). Your co-author received 150 citati- ons: Pride, but not envy, mediates the effect of system-generated achievement messages on motivation. Frontiers in Psychology, 9. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00628

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