Forschung & Lehre 09/2023

empfehlungen von größter Bedeutung. Dies gilt nicht nur in Deutschland, wie die Corona-Pandemie gezeigt hat, sondern auch auf der südlichen Hemisphäre, wo die Bevölkerung stark von verschiedenen Gesundheitskrisen betroffen ist. Prävention von Krankheiten Neben der Früherkennung und der schnellen Krisenreaktion ist auch die Vorbeugung von Infektionskrankheiten entscheidend für Global Health. In der sich wandelnden Wechselbeziehung von Lebewesen und Umwelt steigt das Risiko von zoonotischen Erkrankungen stetig. Dabei steht nicht mehr nur der Mensch als Gesundheitsträger im Mittelpunkt, sondern der Begriff Gesundheit wird ausgeweitet zu einem kollaborativen, multisektoralen und transdisziplinären Ansatz: One Health. In diesem ganzheitlichen Denken ist besonders operative Forschung gefragt, um das Entstehen von Verhaltens- und Erregermustern zu verstehen, aber auch um Gesundheitsmaßnahmen an lokale Gegebenheiten und Entwicklungen kontinuierlich anzupassen. Neben der Bedrohung durch Infektionskrankheiten ist auch der Anstieg von nicht-übertragbaren Krankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychischen Erkrankungen, eine große Herausforderung. Die Zahl von Todesfällen durch nicht-übertragbare Krankheiten übersteigt inzwischen weltweit die der Todesfälle durch übertragbare Krankheiten. Aktuell sterben jährlich 41 Millionen Menschen an nicht übertragbaren Krankheiten, was 74 Prozent aller Todesfälle weltweit entspricht (WHO, CDC). Dieser Anstieg von nicht-übertragbaren Krankheiten erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der medizinische, kulturelle und soziale Interventionen miteinander verbindet. Oft werden Infektionskrankheiten getrennt von nicht-übertragbaren Krankheiten betrachtet und dabei missachtet, dass von den gleichen betroffenen Personen und den gleichen Gesundheits- und Versorgungssytemen gesprochen wird. Zudem werden beide Krankheitstypen häufig von den gleichen Risikofaktoren, wie z.B. dem Klimawandel, getrieben oder durch soziale Ungleichheiten befeuert. Die Auswirkungen dieser Krankheiten stehen dabei auch oft im Wechselverhältnis zueinander, was die Covid-19-Pandemie erneut bestätigte. So berichteten ungefähr die Hälfte von 155 befragten Ländern von zumindest teilweise während der Pandemie unterbrochenen Diensten für die Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes (Ärzteblatt). Auch 90 Prozent der europäischen Länder stellten das Screening zu Krebserkrankungen ein oder konnten es nicht ohne Beeinträchtigung weiterführen (European Commission). Dies ist keine neue Beobachtung; auch Ebola lehrte uns bereits 2014, dass Mütter und Kinder in Sierra Leona nicht nur an Ebola starben, sondern dass vor allem das Nicht-Aufsuchen von Gesundheitseinrichtungen einen Anstieg der Müttersterblichkeitsrate und der Totgeburtenrate nach sich zog (Jones et al, 2016). Globale Zusammenarbeit Kollaboration zwischen nationalen und internationalen Partnern ist ebenso wichtig bei der Vorbeugung von Erkrankungen wie auch bei der Krisenreaktion. Ein kooperativer und vorausschauender Ansatz in globaler Gesundheit wie auch eine wirksame Kommunikation zwischen Regierungen, internationalen Organisationen und der Bevölkerung sind von zentraler Bedeutung. Bemühungen dürfen hierbei weder die Verflechtung von Mensch und Natur noch die Verbundenheit von Bevölkerungen unabhängig vom geographischen Standort außer Acht lassen. Dies bedeutet, dass Entscheidungen, die wesentlich für die globale Gesundheit sind, häufig von Ressorts und Politik außerhalb des Gesundheitsfelds beschlossen bzw. wesentlich geprägt werden. Besonders die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten, die sowohl übertragbare als auch nicht-übertragbare Krankheiten oft treiben, sind in vielen Fällen nicht Folge von Gesundheitspolitik im engeren Sinne. Daher ist die intersektionale Arbeit für die globale Gesundheit von so großer Bedeutung. Ähnlich führt die Bandbreite der Aktivitäten, die benötigt werden, um die vielfältigen Risikofaktoren zu adressieren bzw. Maßnahmen hierzu umzusetzen, dazu, dass Global Health in Forschung, Lehre und allen voran in der Praxis ein interdisziplinäres Feld ist. 9|23 Forschung & Lehre GLOBAL HEALTH 663 L I TERATUR WHO: Fact sheet „Noncommunicable diseases“, 2022. https://t1p.de/6nxxj. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): „About Global NCDs“, 2021. https://t1p.de/doxy6. aerzteblatt.de: „Pandemie schränkt Versorgung chronischer Erkrankungen weltweit stark ein.“, 2020. https://t1p.de/egn6r. European Commission: „Cancer care in times of COVID-19: lessons for future pandemics“, 2023. https://t1p.de/etbiw. Susan A Jones, Somasundari Gopalakrishnan, Charles A Ameh, Sarah White, Nynke R van den Broek: „‚Women and babies are dying but not of Ebola’: the effect of the Ebola virus epidemic on the availability, uptake and outcomes of maternal and newborn health services in Sierra Leone“. BMJ Global Health. 2016;1(3):e000065. https://t1p.de/gfynk. »Neben der Bedrohung durch Infektionskrankheiten ist auch der Anstieg von nicht-übertragbaren Krankheiten eine große Herausforderung.«

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