Forschung & Lehre 09/2023

9|23 Forschung & Lehre FORSCHUNG 685 Täglich aktuelle Nachrichten auf www.forschung-und-lehre.de Vera Müller Sauberes Wasser aus Nebel Forschende der ETH Zürich haben ein Netz entwickelt, das aus Nebel Wasser gewinnen und gleichzeitig Umweltschadstoffe entfernen kann. Wie die Hochschule berichtet, lagern sich an den aufgestellten Netzen die Nebeltröpfchen ab, rinnen an den Maschen herunter und können aufgefangen werden. Bis zu mehrere hundert Liter Wasser ließen sich so an einem Tag mit einem nur wenige Quadratmeter großen Nebelkollektor gewinnen. Der ETH zufolge werden solche Netze bereits in Peru, Bolivien, Chile, Marokko und im Oman aufgestellt. Ein Problem sei allerdings die Luftverschmutzung, denn Schadstoffe reicherten sich auch in den Nebeltropfen an. In vielen Großstädten der Welt sei die Luft so stark verschmutzt, dass dort aus dem Nebel gewonnenes Wasser nicht sauber genug sei, um es unbehandelt zum Trinken oder Kochen zu verwenden. Die Forschenden entwickelten deshalb eine Art Metallnetz, das die giftigen Luftpartikel gleichzeitig unschädlich mache. Dazu beschichteten sie laut ETH das Netz mit Polymeren und Titandioxid. Die Polymere sorgten für die ideale Haftung des Wassers am Netz. Titandioxid wirke als chemischer Katalysator. Es spalte viele in den Tropfen enthaltene organische Schadstoffmoleküle und mache sie somit unschädlich. Aktiviert werde die Spaltfunktion des Titanoxids mit Sonnenlicht; eine halbe Stunde Sonne reiche aus, damit der Stoff 24 Stunden aktiv bleibe. Ritwick Ghosh et al.; DOI: 10.1038/s41893-023-01159-9 Zwerge oder Giganten Ein internationales Forschungsteam ist in einer Studie der Frage nachgegangen, wie sich die Vielfalt an Körpergrößen von Schildkröten in den letzten 200 Millionen Jahren entwickelt hat und welche Faktoren hierfür eine entscheidende Rolle spielten. Für insgesamt 795 Schildkrötenarten erfassten die Forschenden Informationen zu den Panzerlängen, den bevorzugten Lebensräumen und dem zeitlichen Auftreten der Spezies in der Erdgeschichte, wie das beteiligte Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment schreibt. Demnach sind die Ökologie und Lebensraumpräferenzen der Schildkröten ausschlaggebend für deren Körpergröße, nicht – wie häufig angenommen – die klimatischen Verhältnisse. Das Größenspektrum der Süßwasserarten ist den Forschenden zufolge über die letzten 200 Millionen Jahre recht konstant geblieben. Im Gegensatz dazu zeigten Land- und Meeresschildkröten eine viel ausgeprägtere Variation. Die unterschiedlichen Körpergrößen von Landschildkröten erklärten die Forschenden durch deren ökologische Vielfalt und ihre diversen Lebensräume. Die größeren landlebenden Arten hätten dabei den Vorteil, sich leichter ausbreiten zu können als Meeresschildkröten. Bei diesen schienen dagegen die Oberund Untergrenzen der Körpergröße mit physiologischen Zwängen, wie der Thermoregulation oder der erhöhten Lungenkapazität, und morphologischen Vorgaben wie der Panzergröße, sowie mit Anpassungen an die Lebensweise im freien Wasser zusammenzuhängen. Möglicherweise führe zudem die Notwendigkeit, an Land zu gehen, um dort Eier zu legen, zu einer Begrenzung der maximalen Größe von Meeresschildkröten. Gabriel S. Ferreira et al.; DOI: 10.1002/ece3.10201 Artenvielfalt in europäischen Binnengewässern Die Artenvielfalt in europäischen Flüssen ist über mehr als 50 Jahre lang deutlich angestiegen. Seit den 2010er Jahren stagniert sie. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam unter Leitung des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseum Frankfurt. Wie das Institut berichtet, untersuchten die Forschenden die biologische Vielfalt in Flusssystemen in 22 europäischen Ländern über einen Zeitraum von 1968 bis 2020. Binnengewässer seien durch die landwirtschaftliche und städtische Flächennutzung verschiedenen anthropogenen Belastungen ausgesetzt, etwa durch Schadstoffe, Abwässer und Pestizide. Als Reaktion auf den schlechten Zustand der Gewässer in den 1950er und 1960er Jahren seien Gegenmaßnahmen ergriffen worden, etwa mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Diese Maßnahmen hätten zu einem deutlichen Rückgang der organischen Verschmutzung und der Versauerung ab etwa 1980 geführt. Nun aber nähmen die „Stressfaktoren“ wieder zu. Erhebliche Investitionen seien erforderlich, um die Abwassernetze auszubauen und die Kläranlagen zu verbessern. Das Überlaufen von Kläranlagen bei Starkregen könnte verhindert und Mikroverunreinigungen, Nährstoffe, Salze sowie andere Schadstoffe wirksamer entfernt werden. Darüber hinaus plädiert das Forschungsteam unter anderem für die Reduktion von Einträgen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aus landwirtschaftlichen Flächen, die Anbindung von Überschwemmungsgebieten zur Reduktion zerstörerischer Überschwemmungen sowie zur Anpassung von Flusssystemen an künftige klimatische und hydrologische Bedingungen. Peter Haase et al.: DOI: 10.1038/s41586-023-064100-1 Die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) kann bis zu zwei Meter groß werden. Foto: National Seashore, WikimediaCommons

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