Forschung & Lehre 12/2023

12|23 Forschung & Lehre 901 NACHRICHTEN Täglich aktuelle Nachrichten auf www.forschung-und-lehre .de Wissenschaft positioniert sich gegen Antisemitismus Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und weitere Organisationen aus der Wissenschaft haben sich erneut gegen Antisemitismus positioniert. „Hochschulen müssen Orte sein, an denen sich Jüdinnen und Juden ohne Wenn und Aber sicher fühlen können“, mahnte der Präsident der HRK, Professor Walter Rosenthal, am 14. November 2023 in Berlin. Seit demAngriff der Hamas auf Israel waren auch an deutschen Hochschulen immer wieder Fälle der Diskriminierung bekannt geworden. Studierende jüdischen Glaubens fühlten sich nicht mehr sicher. „An deutschen Hochschulen ist kein Platz für Antisemitismus“, bekräftigte Rosenthal. Unverhohlene Drohungen mit körperlicher Gewalt, das Anbringen von Plakaten oder Graffiti sowie Kundgebungen, die den Terror der Hamas guthießen, die Opfer ausblendeten oder aufrechneten, die das Existenzrecht Israels in Frage stellten und Jüdinnen und Juden insgesamt angingen und einschüchtern sollten, seien nicht zu rechtfertigen und keinesfalls hinnehmbar. „Wir dulden keine Gewalt, weder verbal noch physisch, keinen Antisemitismus, keinerlei Ausgrenzung – auch nicht gegen Studierende und Mitarbeitende palästinensischer Herkunft, die sich aktuell ebenfalls Sorgen machen“. Das Miteinander an einer Hochschule und die produktive Diskussion auf und neben dem Campus beruhten auf wechselseitigem Respekt, der Wahrung wissenschaftlicher Grundsätze, auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Einhaltung der Gesetze. Das Nationale Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit ATHENE um Professor Michael Waidner hat einen Offenen Brief gegen Antisemitismus initiiert. Mehr als tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Brief bislang unterzeichnet. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßte die Positionierungen. Hochschulleitungen forderte sie auf, Anlaufstellen für jüdische Studierende zu schaffen und Maßnahmen zur Krisenintervention zu ergreifen. China: Stark-Watzinger mahnt zu mehr Wachsamkeit Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat erneut zu mehr Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit China aufgerufen. „Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen“, erklärte die FDP-Politikerin gegenüber der „Welt“. Notwendig sei eine Überprüfung bestehender Kooperationsbeziehungen auch von Hochschulen, gerade bei Stipendiatinnen und Stipendiaten des staatlichen China Scholarship Council. „Bei globalen Herausforderungen wie etwa dem Klimawandel sollte es weiter Zusammenarbeit geben. Auch wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ist grundsätzlich wünschenswert“, ergänzte die Ministerin. Anders sehe es in sensiblen Bereichen aus, die militärische Relevanz hätten oder Menschenrechte beträfen, etwa Gesichtserkennung mithilfe Künstlicher Intelligenz. „Wir haben die Debatte mit der Wissenschaft über Forschungssicherheit begonnen“, betonte Stark-Watzinger. Es gebe von Hochschulen und Forschungseinrichtungen den Wunsch nach Orientierung und Unterstützung. „Hier machen wir Angebote. Welche Maßnahmen darüber hinaus sinnvoll sind, erarbeiten wir gemeinsam mit der Wissenschaft“, so die Ministerin. Der Präsident der HRK hatte im Gespräch mit Forschung & Lehre zuletzt betont, dass Hochschulen für eine bessere China-Kompetenz an den Hochschulen weitere Sinologinnen und Sinologen gewinnen sowie verlässliche Prozesse des Risikomanagements und Zentren für Ethik in der Forschung an allen Hochschulstandorten etablieren müssten. Pauschale Regeln oder Verbote hält er für falsch. Die Entscheidung für oder gegen eine Kooperation müsse bei den Hochschulen bleiben. Über politische Einflussnahme wird auch mit Blick auf andere Länder diskutiert, aktuell etwa mit dem Iran. Islamwissenschaftlerin Professorin Katajun Amirpur ordnet die Lage im Gespräch mit „Forschung & Lehre“ ein (Zur Website: t1p.de/ea3m1). KOMMENTAR Flagge zeigen Bildung und Kultur sind kein alleiniger Garant gegen Antisemitismus. Das zeigen der Blick in die deutsche Geschichte und aktuell die jüngsten Anfeindungen gegen Jüdinnen und Juden – nicht zuletzt auch an amerikanischen Spitzenuniversitäten. Antisemitismus tritt nicht erst seit dem menschenverachtenden Angriff der Hamas auf Israel unverhohlen hervor. Auch an deutschen Hochschulen fühlen sich jüdische Studierende und Mitarbeitende schon seit längerer Zeit nicht sicher. Klare Bekenntnisse, entschieden gegen Antisemitismus einzutreten, sind ebenso wichtig wie Antisemitismuspräventionen in Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen. Doch alle noch so sinnvollen Maßnahmen bleiben hinter ihrer intendierten Wirkung zurück, wenn nicht durch Handeln Solidarität untermauert und durch Dialog ein respektvoller Umgang gelebt wird. Wo, wenn nicht an den Hochschulen, existiert so große Vielfalt und wer, wenn nicht Hochschulleitungen und Hochschullehrende können wichtige Multiplikatoren für ein friedvolles und kritisch-konstruktives Miteinander sein. Zum Bildungsauftrag gehört es, keinerlei Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu dulden. Es ist höchste Zeit, Antisemitismus auch an Hochschulen zu benennen und zu bekämpfen – mit den gebotenen Mitteln, die der demokratische Rechtsstaat bereithält. Yvonne Dorf

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